10 - Das Kloster Der Toten Seelen
verwirrendste daran ist Idwals Behauptung, an den Kleidern des Mädchens sei kein Blut gewesen. Laut Gwnda und dem Apotheker hat man aber gerade an Hand dessen den Schluß gezogen, Mair sei vergewaltigt worden.«
»Dazu werden wir den Apotheker persönlich befragen müssen. Wie war noch sein Name? Elisse?« erwiderte Fidelma.
»Fest steht, daß Idwal behauptet, er sei nicht der Liebhaber des Mädchens gewesen. Ja, er hat nicht einmal gesagt, daß er es gern gewesen wäre«, warf Bruder Meurig ein. »Nach der Aussage des Apothekers ist Mair jedoch vergewaltigt worden. Das Blut an ihren Unterkleidern würde das belegen.«
»Ich würde der Sache mit der geheimen Botschaft nachgehen«, schlug Eadulf vor. »Oftmals verständigen sich Liebende auf solche Art. Hatte Mair wirklich einen Liebhaber? Wollte Idwal aus diesem Grund die Nachricht nicht überbringen?«
Einen Augenblick lang starrte Fidelma Eadulf überrascht an, dann lächelte sie. »Manchmal, Eadulf, hast du die Fähigkeit, das Offensichtliche zu erkennen, während wir daran vorbeisehen.«
»Wenn die Nachricht für ihren Liebhaber war«, stellte Bruder Meurig fest, »dann muß Idwal, der ja zugegeben hat, daß er Mair liebt, auch wenn es scheint, daß es dabei nicht um eine sexuelle Beziehung ging, dann muß ihn die Eifersucht zur Gewalt getrieben haben. Wollen wir doch mal hören, was er dazu sagt.«
Fidelma lief zurück in den Stall. »Idwal, es gibt noch eine Frage. Die Botschaft betreffend …«
»Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich nichts darüber verraten werde«, entgegnete der Junge entschlossen.
Fidelmas Stimme klang ruhig, aber sicher. »Nun gut. Ich nehme an, daß du auf die Bitte nicht eingegangen bist, weil du etwas gegen Mairs Liebhaber hattest? Ist es so?«
Idwals Gesichtsausdruck verriet ihr, was sie wissen wollte.
»Siehst du, Idwal«, fuhr Fidelma freundlich fort, »die Wahrheit kommt immer von allein ans Tageslicht. Wer war dieser Mann?«
Der Junge machte eine abwehrende Geste. »Ich habe einen Eid geschworen.«
»Deine Zukunft kann davon abhängen, ob du mir den Namen des Mannes nennst oder nicht.«
»Ich habe einen Eid geschworen.«
Fidelma hatte viel Übung darin, den Charakter eines Menschen einzuschätzen, und erkannte, daß Idwal dabei bleiben würde. »Nun gut, dann lassen wir das, Idwal.«
Kopfschüttelnd kehrte sie zu Bruder Meurig und Eadulf zurück. »Eadulf hatte recht. Der Junge beharrt zwar darauf, uns nicht zu verraten, für wen die Nachricht war, aber sein Gesicht verriet mir die Wahrheit, als ich ihm auf den Kopf zusagte, daß sie wohl für Mairs Liebhaber bestimmt war. Seinen Namen konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen.«
»Eins übersehen wir«, stellte Bruder Meurig klar. »Wir reden hier nur von platonischer Liebe, nicht von körperlicher. Die Indizien belegen, daß Mair noch Jungfrau war. Damit hätte der Junge immer noch ein Mordmotiv. Rache, weil das Mädchen ihn um des anderen willen ablehnte.«
»Ich glaube, wir warten mit weiteren Fragen besser bis morgen«, erwiderte Fidelma. »Heute abend scheint Idwal entschlossen zu sein, seinen Schwur nicht zu brechen. Bis morgen hat er es sich vielleicht anders überlegt.«
Sie machten sich endgültig auf den Weg zum Haus; plötzlich blieb Bruder Meurig stehen. Im Schein der Laterne, die er trug, konnte man sein besorgtes Gesicht erkennen. »Vielleicht ist der Junge doch schlauer, als wir denken. Es könnte sein, daß er uns an der Nase herumführt.«
»Falls er das nicht tut«, entgegnete Fidelma, »könnte seine Aussage nicht nur klarstellen, warum Iestyn sah, wie sich der Junge und das Mädchen stritten, sondern auch – und das ganz zum Vorteil des Jungen –, daß ein anderer ein Motiv hatte, Mair umzubringen.«
Bruder Meurig äußerte Zweifel.
»Aber zu diesem Zeitpunkt«, beruhigte ihn Fidelma, »geht es nicht so sehr darum, die richtigen Antworten zu erhalten, sondern darum, den richtigen Personen die richtigen Fragen zu stellen. Habt ihr gehört, daß Elen, Gwndas Tochter, sagte, sie sei eine Freundin von Mair? Sie schien auch um Idwal Angst zu haben. Vielleicht weiß sie etwas? Wenn ich dir also einen Rat geben darf, so müßtest du versuchen, mit ihr zu reden, ohne daß Gwnda dabei ist. Es schien ihm nicht zu passen, daß sich seine Tochter Sorgen um Idwal macht.«
Bruder Meurig sah sie anerkennend an. »Und da ist noch die Haushälterin Buddog«, fügte er hinzu. »Es war ziemlich hart, was sie Mair bezüglich äußerte.«
»Das habe
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