10 - Das Kloster Der Toten Seelen
interessiert?« Bruder Meurig war überrascht.
Fidelma schüttelte den Kopf. »Die Geschichte bewegt mich wirklich sehr, denn ich fürchte, der Junge ist unschuldig und etwas anderes steckt dahinter. Aber unsere Vollmacht von König Gwlyddien erstreckt sich nur auf die Geschehnisse in Llanpadern und seinen Sohn Rhun. Wir werden morgen früh nach Llanpadern reiten. Doch ich würde mich sehr freuen, wenn du uns bei unserer Rückkehr berichtest, wie die Sache ausgegangen ist.«
Bruder Meurigs Gesicht entspannte sich ein wenig. Wahrscheinlich ist er eher erleichtert, daß wir Weiterreisen, dachte Eadulf. Mit der ihr innewohnenden Autorität war Fidelma drauf und dran gewesen, seinen Fall an sich zu reißen! Doch der barnwr ließ Gnade vor Recht ergehen.
»Ich bin euch beiden dankbar für eure Hilfe. Unsere Vorgehensweisen sind ziemlich ähnlich.« Er schwieg einen Augenblick, dann fügte er beinah widerwillig hinzu: »Aber benötigt ihr nicht einen Führer morgen vormittag – und jemanden, der dolmetscht?«
Fidelma lächelte. »Das glaube ich nicht. Wenn Llanpadern nur etwa drei Meilen entfernt ist, in Richtung der Berge, die du mir heute nachmittag gezeigt hast, dann wird es nicht schwer zu finden sein. Und ich habe gemerkt, daß ich recht viel von eurer Sprache behalten habe, auch wenn es schon viele Jahre her ist, daß ich sie zum letztenmal benutzt habe. Und Eadulf scheint auch genügend zu verstehen.«
»Jedenfalls mehr, als ich sprechen kann«, bekräftigte Eadulf.
Bruder Meurig war offenbar sehr erleichtert darüber, daß sie seine Dienste als Führer und Sprachkundigen nicht weiter in Anspruch nahmen. »So werde ich hierbleiben und sehen, was ich herausfinden kann.«
Fidelma lächelte. »Wir freuen uns darauf, zu erfahren, wie sich die Dinge wirklich verhalten, wenn wir aus Llanpadern zurückkehren.«
K APITEL 7
Es war ein heller frischer Herbsttag. Der Himmel war hellblau, keine Wolken verhingen die frühmorgendliche Sonne. Fidelma und Eadulf hatten sich von Bruder Meurig und Gwnda, dem Fürsten von Pen Caer, verabschiedet und sich südwestwärts zu dem fern gelegenen Berg Carn Gelli aufgemacht. Die Landschaft war von Moorland und felsigem Gelände geprägt, von abgeschiedenem Ackerland, das von bewaldeten Tälern umgeben war, in die kleine, aus den umliegenden Bergen kommende Bäche strömten.
Diese Landschaft atmete graue Vorzeit; man konnte viele Hügelgräber, Steinkreise, aufrecht stehende Steine und verlassene Befestigungen entdecken. Inmitten des Stechginsters und verschiedener Farn- und Heidekrautarten blühten Wildblumen. Zur Zeit sah man nur hier und da ein paar Streifen Silberweiß – Hirtentäschel und weiße Taubnessel, die sich wohltuend von dem Grün ihrer Umgebung abhoben. Sonst schien die Natur sich schon ihr trübes, beinah farbloses Winterkleid überzustreifen.
Hoch über ihnen zog ein Turmfalke müßig seine weiten Kreise. Seine wachsamen Augen hielten nach Beute unter dem bräunlichen Farndickicht und dem immergrünen Stechginster Ausschau. Da blitzte es unter den Büschen rotbraun auf, als ein Fuchs sich rasch in Sicherheit brachte, und das eher aus Gewohnheit als aus Angst vor dem Turmfalken, denn der Fuchs war viel zu groß, als daß er ihn hätte fürchten müssen. Der Raubvogel hatte es eher auf Mäuse, Wühlmäuse und Erdhörnchen abgesehen.
Während sie den Weg entlangritten, waren Fidelma und Eadulf seit vielen Tagen zum erstenmal wieder allein.
»Du machst dir Sorgen um den Jungen, um Idwal, nicht wahr?« fragte Eadulf schließlich und setzte so dem Schweigen ein Ende.
Sie blickte ihn an und lächelte kurz. »Du bist ein guter Beobachter.«
»Glaubst du, daß er unschuldig ist?«
»Ich glaube, daß es noch viele offene Fragen gibt«, antwortete Fidelma nachdenklich.
»Ich nehme an, du hättest den Fall gern übernommen«, stellte Eadulf fest.
»Wie der heilige Ambrosius schon sagte: Quando hic sum, non ieiunio Sabbato. «
Eadulf runzelte die Stirn. »Du meinst …«
»Ich meine, daß ich die hiesigen Gesetze und Bräuche einhalte. Ich habe nicht das Recht, einem Richter dieses Landes etwas vorzuschreiben. Ich habe nicht den Wunsch, für Bruder Meurig Ermittlungen anzustellen.«
Noch während Fidelma das sagte, wurde ihr zu ihrem Ärgernis bewußt, daß es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Sie errötete und hoffte, Eadulf würde es nicht merken.
»Bruder Meurig scheint mir kompetent genug zu sein.«
»So lange er die richtigen Fragen stellt, kann der
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