10 - Das Kloster Der Toten Seelen
das?«
Idwal begann am ganzen Leibe zu zittern. »Nein, nein, nein! Das habe ich nicht. Ich habe Mair geliebt. Ich hätte alles für sie getan …«
»Mairs Vater, Iorwerth, hat dir gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten, nicht wahr?«
Der Junge ließ den Kopf hängen. »Ja. Er mag mich nicht. Keiner von den Leuten aus Llanwnda mag mich.« Idwals Stimme klang auf einmal ganz hohl, ohne Gefühl. Er hatte einfach nur eine Tatsache ausgesprochen.
»Warum mögen sie dich denn nicht?« wollte Fidelma wissen.
»Weil ich arm bin, schätze ich. Weil ich nicht weiß, wer meine Eltern sind. Weil sie glauben, daß ich ein Dummkopf bin.«
»Aber du bist hier in der Nähe geboren?« Diese Frage stellte Fidelma, weil es in ihrem Land üblich war, sich um die schwächsten Mitglieder der Gemeinschaft zu kümmern und denjenigen gegenüber, die arm oder einfältig waren, Nachsicht walten zu lassen.
Idwal antwortete mit einem Stirnrunzeln. »Ich weiß nicht, wo ich geboren wurde. Ich bin im Haus von Iolo in Garn Fechan aufgewachsen. Iolo war ein Schäfer. Er war nicht mein leiblicher Vater. Er hat mir nie gesagt, wer mein Vater war. Als er umgebracht wurde, hat mich sein Bruder Iestyn davongejagt, von da an war ich auf mich allein gestellt.«
»Iestyn?« Der Einwurf kam von Eadulf. »Wo haben wir diesen Namen schon einmal gehört?«
Fidelma blickte ihn warnend an. »Gehört jener Iestyn zu denen, die heute abend versucht haben, dich zu bestrafen?«
Idwal nickte rasch. »Iestyn hat mich schon immer gehaßt.«
»Du hast gesagt, daß man Iolo umgebracht hat. Wie ist das passiert?«
»Seeräuber.«
»Wer waren die?«
Idwal zuckte mit den Schultern.
»Sag mir, was zwischen dir und Mair vorgefallen ist«, fuhr Fidelma fort. »Warum schiebt man dir die Schuld an dem Mord zu?«
»Mair hat mich anders als die anderen behandelt. Sie war freundlich zu mir. Sie war nett.«
»Und du hast sie gemocht?«
»Natürlich.«
»Wie hast du sie gemocht?«
Der Junge schaute sie verwirrt an.
»Sie war meine Freundin«, bekräftigte er.
»Weiter nichts?«
»Was gibt es da noch mehr?« Der Junge meinte das aufrichtig.
Fidelma sah in die unschuldigen Augen des Jungen. »Kurz bevor man ihre Leiche fand, hattest du Streit mit ihr?«
Idwal errötete und blickte nun nach unten. »Das ist mein Geheimnis.«
»Das darfst du nicht für dich behalten, Idwal«, sagte sie streng. »Man hat beobachtet, wie du dich heftig mit ihr gezankt hast, und kurz darauf war sie tot. Die Leute könnten davon ausgehen, daß du sie wegen des Streits umgebracht hast.«
»Ich habe ihr versprochen, daß nichts über meine Lippen kommt.«
»Aber sie ist tot.«
»Mein Versprechen gilt immer noch. Es war eine persönliche Sache zwischen uns beiden.«
»So persönlich, daß sie jetzt tot ist?«
»Ich habe sie nicht umgebracht.«
»Was ist dann passiert?«
Nun antwortete der Junge vorsichtig: »Nachdem ich ihr gesagt hatte, daß ich nicht tun würde, was sie von mir wollte …«
Fidelmas Augen verengten sich. »Deshalb habt ihr euch gestritten? Sie hat dich um etwas gebeten, und du hast es abgelehnt?«
Idwal blinzelte verwirrt. »Versuchst du mich hereinzulegen? Ich werde nicht sagen, weshalb wir uns gezankt haben.«
»Ich versuche nur, die Wahrheit herauszufinden. Wenn du mir die Wahrheit sagst, dann hast du nichts zu befürchten.«
»Ich sage die Wahrheit. Ich habe sie nicht getötet.«
»Worum hat sie dich gebeten?« fragte Fidelma erneut.
Der Junge zögerte. Er seufzte leise. »Sie wollte, daß ich eine Nachricht für sie überbringe, das ist alles. Und das ist alles, was ich sagen kann, denn ich habe einen Eid geschworen, es niemandem zu verraten. Ich habe es ihr geschworen und werde ihn nicht brechen.«
Fidelma lehnte sich zurück und dachte nach. »Es muß schon ein schreckliches Geheimnis sein, daß du sogar einen Eid geschworen hast, wo es doch lediglich um einen Botendienst ging. Wieso hat deine Ablehnung zu solch einer Auseinandersetzung geführt?«
»Weil ich die Nachricht nicht überbringen wollte. Ich dachte, daß es falsch sei«, platzte es aus Idwal heraus.
»Warum war es falsch?« fragte Fidelma.
»Ich sage nichts mehr«, beharrte Idwal störrisch.
»Erklär mir, wie es kam, daß du über Mairs Leiche gebeugt dastandest, wenn du das Mädchen nicht umgebracht hast?« Fidelma hatte beschlossen, ihre Fragetaktik zu ändern. »Komm schon, Idwal, los, rück mit der Wahrheit heraus.«
Der Junge zuckte hilflos mit den Schultern, was
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