10 - Das Kloster Der Toten Seelen
als er den Namen des alten irischen Feiertags hörte. »Du meinst den Vorabend von Allerheiligen?«
»Eben diese eine Nacht im Jahr, in der das Jenseits mit all seinen Geistern und Dämonen sichtbar wird und die Seelen jener, denen wir in diesem Leben ein Leid zugefügt haben, zurückkehren und Vergeltung fordern«, bestätigte Fidelma.
K APITEL 17
Als Eadulf am nächsten Morgen aufstand, war Fidelma schon wach und angezogen. Sie saß gerade am Tisch und aß frischgebackenes Brot mit Honig und trank süßen Met dazu. Als er eintrat, schaute sie auf und lächelte ihm entgegen.
»Hat sich Gwnda schon gemeldet?« fragte er, setzte sich zu ihr und nahm sich vom Brot.
Gestern abend hatten sie den Fürsten von Pen Caer nicht zu Hause angetroffen. Buddog hatte ihnen gesagt, daß er bei Freunden zu Besuch sei. So hatten sie ein bescheidenes Abendessen zu sich genommen und waren gleich darauf zur Ruhe gegangen.
Wie aufs Stichwort ging die Tür auf, und Gwnda trat ein.
»Elen hat sich mit uns unterhalten«, waren Fidelmas erste Worte, nachdem sie sich begrüßt hatten.
Gwnda setzte sich zu ihnen an den Tisch. »Hat sie euch gesagt, daß ich ihr dazu geraten hatte?« fragte er.
»Sie meinte, du hättest nichts dagegen, wenn sie uns ihre Geschichte anvertrauen würde.«
»Vielleicht hatte ich in bezug auf Idwal unrecht«, räumte Gwnda ein, doch klang keine Reue aus seiner Stimme. »Ich hatte das Gefühl, daß es besser sei, wenn ihr auch ihre Sicht der Dinge kennt.«
»Du hattest vielleicht unrecht?« fragte Fidelma bissig. »Der Junge ist ermordet worden!«
»Als mir meine Tochter von ihrer Vermutung erzählte, wurde mir plötzlich klar, daß es auch eine andere Erklärung für Mairs Tod geben könnte.«
»Was bedeutet, daß Idwal unschuldig war«, betonte Eadulf.
»Es würde bedeuten, daß man dem Jungen großes Unrecht angetan hat«, gab Gwnda zu. Er wirkte beinah heiter.
»Ein Unrecht, bei dem du sowohl eine aktive als auch eine passive Rolle gespielt hast«, stellte Eadulf voller Strenge fest.
»Falls ich ein Unrecht begangen habe, bin ich bereit, meine Schuld zu büßen«, sagte Gwnda. »Doch die Hauptschuld trägt der aufrührerische Mob.«
»Wollen wir doch einmal deinen Anteil näher untersuchen«, sagte Fidelma. »Du warst der erste, der am Tatort auftauchte, kurz nachdem Mair umgebracht worden war, und du hast Idwal dort erwischt. Weshalb warst du zu dieser Zeit im Wald?«
Gwnda dachte nach. »Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich war einfach nur reiten.«
»An jenem Vormittag waren offenbar eine Menge Leute im Wald. Mair und Idwal, Iestyn … Ja sogar Buddog.«
Gwndas Stimmung schlug plötzlich um, er wirkte angespannt und ängstlich. »Durch den Wald führt der Hauptweg nach Süden. Da kommen täglich viele Leute entlang.«
»Bevor sich deine Tochter dir anvertraute, hattest du keine Zweifel an Idwals Schuld. Doch nun ist es anders?«
Gwnda überlegte einen Moment. »Meine Tochter hegt diese Zweifel. Ich bin nicht davon überzeugt, daß sie recht hat.«
»Hast du Mair und Idwal rein zufällig zusammen entdeckt?« wollte Fidelma wissen.
»Ja. Ich sah, wie Idwal sich über sie beugte. Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe Bruder Meurig alles ausführlich berichtet.«
»Bruder Meurig ist tot, du mußt uns schon noch einmal erzählen, was an diesem Morgen geschah.«
Gwnda zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich kam dazu, als Idwal sich über Mair beugte. Sie war tot. Kurz darauf hörte ich laute Stimmen. Idwal richtete sich auf und wollte wegrennen, da habe ich ihn festgehalten. Dann tauchte Iorwerth mit ein paar Männern aus dem Ort auf. Den Rest wißt ihr.«
»Die ganze Zeit über hast du behauptet, daß Idwal Mairs Mörder ist. Sogar den Lynchmord an ihm hast du verteidigt und uns Ermittlungen in diesem Fall untersagt. Nun scheinst du es dir auf einmal anders überlegt zu haben. Da frage ich mich natürlich, warum?«
»Ich bin der Fürst von Pen Caer. Ich muß mich euch gegenüber nicht verantworten«, erwiderte Gwnda. »Und überhaupt, wenn das Leben meiner Tochter in Gefahr ist, bin ich bereit, einen Fehler zuzugeben. Habe ich nicht einen Richter angefordert, um Idwal nach Recht und Gesetz vor Gericht zu bringen?«
»Das hat nicht verhindern können, daß er nie einen ordentlichen Prozeß bekam«, warf Eadulf trocken ein.
»Ob er nun Mair umgebracht hat oder nicht, ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, daß er Bruder Meurig erschlug, als er fliehen wollte. Deshalb
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