10 - Das Kloster Der Toten Seelen
Fidelma zu, »doch wir sollten jetzt nicht unsere Ermittlungen aufs Spiel setzen. Es bleiben zu viele Fragen offen, wenn wir uns einfach aus dem Staub machten und Gwlyddien allein herausfinden ließen, wer hinter der Verschwörung gegen ihn steckt.«
Eadulf stöhnte leise auf. Tief im Inneren hatte er gewußt, daß Fidelma so reagieren würde. Doch zum erstenmal neigte er dazu, sich von seinen Befürchtungen leiten zu lassen: dem Wunsch, rasch von diesem Ort seiner Blutsfeinde zu verschwinden und zu seinen Landsleuten zurückzukehren, nach Canterbury. Er hatte genug von all den Gefahren bei den Welisc.
»Was willst du denn noch hier?« fragte er. »Wir wissen, daß Clydog und Corryn in die Verschwörung verwickelt sind und daß Iestyn ihr Geheimnis kennt. Außerdem ist uns bekannt, daß ein Schiff der Hwicce die Küste umsegelt und deiner Meinung nach auch was damit zu tun hat.«
»All das hilft uns kaum weiter«, erklärte ihm Fidelma geduldig. »Zu wissen, wie all diese Dinge miteinander zusammenhängen, das wäre nützlich. Vielleicht auch die Lösung der unzähligen Rätsel zu kennen, vor denen wir stehen. Hat Clydog Mair umgebracht? Falls es so war, warum mußte Bruder Meurig sterben? Warum mußte Idwal dran glauben? Wie ist Gwnda daran beteiligt? Warum zollt Iestyn Corryn solchen Respekt? Du hast gehört, wie er ihn angesprochen hat. Eine Frage ergibt die nächste.«
Eadulf streckte einen Arm vor, als wolle er der Flut ihrer Überlegungen Einhalt gebieten. »Ich stimme zu, daß da sehr viel ist, was wir noch nicht verstehen. Warum schickt wohl Gwlyddien nicht einen seiner eigenen barnwrs her, um der Sache auf den Grund zu gehen? Warum uns?«
»Weil wir, wie du dich erinnerst, seinen Auftrag angenommen haben.«
»Ich erinnere mich«, sagte Eadulf resigniert.
»Es ist mir zuwider, eine Aufgabe nicht zu Ende zu führen«, fügte Fidelma hinzu. » Finis coronat opus! «
»Unter andern Umständen würde ich dem zustimmen«, murmelte Eadulf. »Doch ich kann nichts dagegen tun, daß ich mich in diesem Königreich ständig in Angst und Schrecken befinde.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen, Eadulf«, erklärte Fidelma düster. »Nie zuvor habe ich dich so nervös erlebt. Weder in Rom noch in meiner Heimat, nicht einmal, als du in Fearna dem Tod ins Gesicht sahst. Was verstört dich hier so?«
Eadulf sann nach. »Ich habe dir schon einmal erzählt, daß zwischen meinem Volk und den Britanniern große Feindschaft herrscht. Die Welisc sind meine Blutsfeinde.«
»Komm schon, Eadulf. Du bist ein Christ. Du bist niemandes Feind.«
»So einfach ist das nicht. Ein Feind kann eingebildet oder wirklich sein. Schon das Wort ›Angelsachse‹ reicht hier aus, mir den Tod zu wünschen.«
»Ich glaube, du siehst da Gespenster. Vielleicht würden dich die Leute nicht so hassen, wenn du sie nicht so fürchten würdest?«
Eadulf war klug genug, um zu bemerken, daß sie versuchte, seine Ängste mit Vernunft zu zerstreuen, doch eine so tiefsitzende, von den Vorvätern überkommene Furcht ließ sich nicht einfach wegwischen.
»Es gibt noch andere Dinge als meine Furcht und den Haß, über die wir uns Gedanken machen sollten«, sagte er eigensinnig. »Was hast du jetzt vor?«
In dem Dunkel sah er nicht, daß Fidelma ihn mitleidig anblickte. »Du hast recht. Wir verschwenden unsere Zeit; wir sollten zu Gwnda zurückkehren. Im Moment hat es keinen Sinn, mit Iorwerth zu sprechen. Trotzdem möchte ich Gwnda mit dem konfrontieren, was Elen uns heute abend erzählt hat. Und aus Iestyn muß ich auch noch mehr herausbekommen.«
»Müßten wir Gwlyddien nicht sofort vor der Verschwörung warnen?«
»Wenn wir Dewi wirklich trauen können, wird er oder eine andere Person aus der Abtei Dewi Sant morgen nachmittag hier sein. Wir können demjenigen dann eine Nachricht an den König mitgeben.«
Sie hatten die Ortschaft erreicht und ritten wieder an dem aufgeschichteten Holzstapel vorbei, der immer noch nicht angezündet war. Ganz oben bemerkten sie die Strohpuppe aus Iorwerths Schmiede. Fidelma hielt ihr Pferd an, sah hinauf und lachte dann zu Eadulfs Überraschung leise.
»Was hat es damit auf sich?« wollte Eadulf wissen.
»Was bin ich nur töricht. Da hätte ich doch schon längst drauf kommen können.«
Eadulf wartete geduldig ab.
»Mir ist gerade klargeworden, was morgen für ein Tag ist … Der Scheiterhaufen und die Strohpuppe.«
»Was für ein Tag denn?« fragte Eadulf.
»Das Samhainfest.«
Eadulf runzelte die Stirn,
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