10 - Der Ölprinz
bringen!“
Er streckte die Hand gebieterisch nach dem nördlichen Ausgang aus. Sie stiegen schnell auf ihre Pferde und trabten eiligst fort, im tiefsten Herzen froh, den Ort, der ihnen so gefährlich werden konnte, mit heiler Haut verlassen zu dürfen.
Um die Worte und das Verhalten des Häuptlings zu verstehen, muß man wissen, auf welche Weise sich die Weißen in den Besitz von Ländereien zu setzen pflegten. Nach dem sogenannten Heimstättengesetz kann nämlich jedes Familienhaupt und jeder einundzwanzigjährige Mann, welcher entweder Bürger ist oder Bürger werden zu wollen erklärt, eine noch unbesetzte Parzelle Land von 160 Acres ohne alle Bezahlung erwerben; nur muß er sie fünf Jahre lang bewohnen und bebauen. Außerdem wurden Millionen Acres namentlich an die Eisenbahnen verschleudert.
Und was die Tomahawk-Improvements betrifft, so brauchte nach ihnen jemand, um als Eigentümer einer ihm zusagenden Strecke Landes zu gelten, dasselbe nur dadurch als das seinige zu bezeichnen, daß er mit der Axt einige Bäume anhieb, eine Hütte baute und etwas Getreide säte. Was die Indianer, die Herren dieser Ländereien dazu sagten, danach wurde nicht gefragt!
Die drei Weißen ritten, als sie das Tal verlassen hatten, eine ganze Weile schweigend nebeneinander durch den lichten Wald. Der Ölprinz fühlte recht wohl, daß er von dem Häuptling der Nijoras weit mehr als von dem Kurier blamiert worden war. Er war wütend über die Behandlung, welche er erfahren hatte, und sann nun darüber nach, wie es ihm gelingen könne, sein bei dem Bankier und dem Buchhalter wohl mehr als wankend gewordenes Ansehen wieder zu festigen. Dann sagte er, die lange Stille endlich unterbrechend: „So sind diese roten Halunken! Undankbar im höchsten Grad! Man kann noch so lange im Frieden mit ihnen gelebt und ihnen noch so viele und große Wohltaten erwiesen haben, eines schönen Tages brechen sie doch die Treue und haben vollständig vergessen, welchen Dank sie einem schuldig sind.“
„Yes“, nickte Rollins. „Das war eine böse Lage, in welcher wir uns befanden. Wir können froh sein, daß wir so mit einem blauen Auge aus derselben entkommen sind. Ich dachte bereits, daß es uns an das Leben gehen würde.“
„Freilich wäre es uns an das Leben gegangen, wenn der Häuptling mir nicht im stillen recht gegeben hätte, weil er doch unbedingt einsehen mußte, daß ich sein Retter war. Es wird mir aber niemals wieder einfallen, einem Indianer Gutes zu erweisen.“
„Richtig! Diese roten Kerls sind es nicht wert, daß man sich ihrer annimmt.“
Aus diesen Worten des Bankiers war zu ersehen, daß er weniger geneigt war, den Ölprinzen wegen seines Verhaltens zu verurteilen. Er gehörte zu jenen echten Yankees, denen ein Menschenleben nichts gilt. Die Gefahr, in welcher er sich befunden hatte, war vorüber und ebenso der Eindruck , welchen die Ermordung der beiden Navajos für den Augenblick auf ihn gemacht hatte. Anders aber bei Baumgarten. Dieser war als Deutscher innerlich ganz anders angelegt; er hielt das Verhalten Grinleys für ein Verbrechen, konnte nicht über die Verurteilung desselben hinüberkommen und fragte daher den Ölprinzen jetzt in ernstem, vorwurfsvollem Ton: „Habt Ihr denn jemals einem Indianer Gutes erwiesen, Sir?“
„Ich? Welch eine Frage! Hunderte von diesen roten Halunken haben mir ihr Leben zu verdanken, und Tausende haben Fleisch, Brot, Pulver, Blei und noch vieles andre von mir bekommen.“
„Auch die Nijoras?“
„Diese erst recht.“
„Der Häuptling tat aber gar nicht so, als ob dies der Fall wäre!“
„Weil er ein undankbarer Schuft ist.“
„Hm! Warum habt Ihr ihn denn nicht daran erinnert?“
„Aus reiner Noblesse, Sir.“
„Unsinn! In einer Lage, wie die war, in welcher wir uns befanden, ist Noblesse die größte Dummheit, die es meiner Ansicht nach geben kann.“
„Das sagt Ihr, weil Ihr den Westen nicht kennt.“
„Meinetwegen! Dennoch würde ich an Eurer Stelle den Häuptling daran erinnert haben, daß er und sein Stamm mir Dankbarkeit schuldeten. Ihr habt keinen Laut hören lassen. Vielleicht leben die Wohltaten, von denen Ihr redet, nur in Eurem Kopf.“
„Sir! Wollt Ihr mich beleidigen?“ fuhr da der Ölprinz auf. „Mich vielleicht gar zum Lügner machen?“
„Fällt mir gar nicht ein. Ich sage meine Meinung, und das Recht, dies zu tun, hat wohl jedermann!“
„Ja, wenn er dabei nicht die Ehre eines andern kränkt. Ihr solltet Euch mir gegenüber doch etwas
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