10 - Der Ölprinz
befindet.“
„Uff, uff!“ rief Winnetou aus, indem sein bronzenes Angesicht erglühte, vielleicht vor Freude, vielleicht auch vor Scham, nicht auch auf diesen Gedanken gekommen zu sein.
„Ferner“, fuhr Old Shatterhand fort, „beim Auslaufenlassen der Fässer ist unbedingt Öl verschüttet worden, auch muß der Rand des Ufers beschädigt worden sein. Beides müßte man sehen, wenn dieser Rand aus Rasen bestände. Besteht er aber aus Erde oder Gestein, so kann leicht nachgeholfen werden. Nun suche mein roter Bruder das ganze Ufer ab; er wird überall Gras und Rasen finden, zwei Stellen ausgenommen, die wir sofort untersuchen werden.“
Die eine dieser Stellen war nicht allzuweit vom Eingang des Tales entfernt. Dorthin gingen die beiden, gefolgt von den Westmännern, welche begierig waren, zu erfahren, ob der Scharfsinn Old Shatterhands auch dieses Mal das richtige getroffen hatte.
Ein vielleicht drei Ellen breiter, aus Schlammsand und Steingeröll bestehender grasloser Streifen zog sich da von dem Felsen nach dem Wasser hin. Der Jäger kniete in der Nähe des Ufers nieder und beroch den Boden.
„Gefunden!“ rief er aus. „Hier riecht das Gestein nach Öl; es ist welches verschüttet worden.“
Er scharrte mit den Händen den Boden auf; die untere Schicht war voller Öl; man hatte, um dies zu verbergen, die obere darauf geworfen.
„Also hier sind die Fässer geleert worden“, sagte er. „Wurde dabei das Ufer beschädigt, so war es leicht und schnell ausgebessert, da es aus Geröll bestand. Ich wette mein Leben, daß dort, wo dieser Streifen an den Felsen stößt, die Höhle zu suchen ist. Laßt sehen!“
Er folgte dem Streifen, welcher am Felsen in einen hohen Geröllhaufen auslief; die andern kamen hüben und drüben nachgegangen. Er blieb vor dem Haufen stehen, betrachtete denselben nur einen Augenblick und erklärte dann: „Ja, wir sind am Ziele. Hinter diesem Steinhaufen befindet sich die Höhle.“
Der Hobble-Frank wollte sich gern auch als berühmter Westmann aufspielen und fragte darum: „Das sehen Sie mit diesem einen Blick, Herr Shatterhand?“
„Ja“, antwortete der Gefragte.
„Das müßte ich doch ooch erkennen können. Darf ich 'mal hinsehen?“
„Tun Sie es!“
Frank betrachtete den Haufen von allen Seiten, schien aber nichts zu finden.
„Nun?“ fragte Old Shatterhand. „Was sehen Sie, lieber Frank?“
„Eenen Haufen, der so wie alle Haufen is; das heeßt een Schteenhaufen, der aus eenem Haufen von Schteenen beschteht.“
„Sehen Sie denn nur die Steine?“
„Ja, nur.“
„Weiter gar nichts?“
„Nich das Geringste.“
„Bedenken Sie, daß unter diesen Umständen der kleinste Gegenstand von der größten Bedeutung sein kann!“
„So, also nach eenem kleenen Gegenschtande soll ich suchen. Ich finde aber nischt.“
Auch die andern bei ihm Stehenden suchten gerade so vergeblich wie er. Nur der Apache ließ ein leises befriedigendes „Uff!“ vernehmen. Sein Auge war auf einen toten Laufkäfer gefallen, der halb unter einem Stein lag.
„Sonderbar!“ lächelte Old Shatterhand. „Nur Winnetou sieht, was ich meine. Frank, sehen Sie denn den schwarzen Käfer nicht, dessen halber Leib da unter dem Stein hervorblickt?“
„Ja, den Käfer, den habe ich freilich schon längst entdeckt.“
„Nun, und – – –?“
„Nu – und –? Ja, was denn nu, und was denn und? Es ist eben een Käfer, weiter nischt.“
„Weiter nichts? Sogar sehr viel, denn er sagt mir, daß wir bei der Höhle sind.“
„Wie? Der? Was kann der sagen. Selbst wenn er bei Lebzeiten eene verschtändliche Sprache besessen hätte, er is jetzt tot.“
„Ja, er ist tot. Woran mag er wohl gestorben sein?“
„Weeß ich's? Vielleicht an Diphtheriteris oder Trommelfellentzündung.“
„Nehmen Sie ihn weg und betrachten Sie ihn!“
Frank mußte den Stein aufheben, um den Käfer wegnehmen zu können.
„Er is von dem Schteene zerquetscht worden“, erklärte er, indem er ihn betrachtete.
„Ganz richtig! Wie aber hat dies geschehen können? Hat sich das Tierchen etwa selbst unter den Stein gedrängt, so daß es von diesem zermalmt wurde?“
„Nee, dazu hätte das Käferchen die Kraft nich besessen. Der Schteen is off ihn droff geworfen worden.“
„Schön! Endlich haben Sie es! Wenn geworfen wird, ist jemand da, welcher wirft; das sehen Sie doch ein?“
„Ja, das sehe ich – – –“
Er hielt inne, besann sich einige Augenblicke, schlug sich dann mit der Hand an die
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