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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorhanden sind.“
    „Also Sie komponieren?“
    „Ja, bei Tag und Nacht.“
    „Was?“
    „Eine große Oper für drei Theaterabende in zwölf Akten, für jeden Abend vier Akte; wissen Sie, so eine Trilogie wie der ‚Ring der Nibelungen‘ von Richard Wagner, diesmal aber nicht von ihm, sondern von mir, dem Herrn Kantor emeritus Matthäus Aurelius Hampel aus Klotzsche bei Dresden.“
    „Können Sie das denn nicht daheim komponieren? Was treibt Sie denn da nach Amerika, noch dazu nach Arizona, dem gefährlichsten Teil des wilden Westens?“
    „Wer mich treibt? Der Geist, die Muse, wer denn anders? Der begnadete Musensohn muß den Eingebungen der Göttin folgen.“
    „Das verstehe ich nicht. Ich folge keiner Göttin, sondern meinem Verstand.“
    „Weil Sie kein Begnadeter sind. Mit Verstand komponiert man keine Oper, sondern mit Generalbaß und Kontrapunkt, wenn nämlich ein passendes Libretto, ein Text vorhanden ist. Und dieser Text, der ist eben die Spannfeder, die mich herübergeschwippst hat nach Amerika.“
    „Wieso, Herr Kantor?“
    „Bitte wiederholt recht sehr: Kantor emeritus! Es ist wirklich nur der Vollständigkeit halber. Man könnte denken, daß ich noch immer zu Klotzsche bei Dresden die Orgel spielen muß, während ich doch schon seit zwei Jahren einen Nachfolger habe. Meine Oper ist nämlich im Kopf vollständig fertig; aber es fehlt mir der passende Text dazu. Ich habe mich mit berühmten Dichtern in Verbindung gesetzt, zum Beispiel mit Herrn Zuckerkrach in Wien, der einen sehr schönen Gespensterroman, und mit Herrn von Kuchenbruch in Halle, welcher eine sehr lebhafte Ode an den Meerbusen von Biskaya geschrieben hat. Sie haben mir unter die Arme gegriffen, aber nicht poetisch genug. Ich will Hexameter komponieren, aber keine Jamben. Auch waren sie mir viel zu zart, zu lyrisch, zu butterig weich, denn ich brauche einen kräftigen, einen gigantischen, einen zyklopischen Text, denn meine Oper soll eine Heldenoper werden. Da habe ich mich also selbst nach Helden umsehen müssen, aber leider keine recht geeigneten gefunden. Die Helden von Rottecks Weltgeschichte sind nämlich schon viel zu sehr abgedroschen worden; ich aber will neue, originale Helden, die noch nicht zwischen den Kulissen und Soffitten gestanden haben. Da lebt nun in der Nähe von Dresden zuweilen mein Freund und Gönner Hobble-Frank, und der – – –“
    „Der Hobble-Frank lebt dort? Den kennen Sie?“ fiel Sam schnell und überrascht ein.
    „Ja. Sie auch?“
    „Sehr gut sogar, sehr gut! Weiter, weiter!“
    „Und der hat mich auf solche Helden, wie ich sie brauche, aufmerksam gemacht.“
    „Wohl auf sich selbst?“
    „Auch mit.“
    „Auf wen noch, Herr Kantor?“
    „Ich ersuche Sie nun schon zum vierten- oder gar zum fünftenmal: Herr Kantor emeritus! Es ist gewiß und wahrhaftig nur der Vollständigkeit wegen. Man könnte sonst denken, ich messe mir ein Amt an, in welchem ich mich nun schon seit zwei Jahren nicht mehr befinde. Also der Hobble-Frank, über den wir übrigens noch weiter sprechen werden, hat mich auf solche für mich passende Helden aufmerksam gemacht, zunächst auf sich selbst und sodann in zweiter Linie auf drei andere Männer, mit denen er früher hier im Wilden Westen ganz außerordentliche Taten verrichtet hat und wahrscheinlich jetzt wieder zusammengetroffen ist.“
    „Wer sind diese Leute?“
    „Ein Apachenhäuptling, welcher Winnetou heißt, und zwei berühmte weiße Präriejäger namens Old Shatterhand und Old Firehand.“
    „Good lack!Das sind allerdings die allerberühmtesten Gentlemen, die ich kenne!“
    „Wie? Auch Sie kennen dieselben?“
    „Und ob! Wer sollte die nicht kennen! Und wer noch nicht das Glück gehabt hat, sie zu sehen, dem ist, mag er sein, wer er will, doch so viel von ihnen erzählt worden, daß er sie beinahe so gut kennt, als ob er mit ihnen beisammengewesen wäre.“
    „So könnten auch Sie mir von ihnen erzählen?“
    „Will es meinen! Ich, und nichts von ihnen wissen, hihihihi! Ich sage Ihnen, daß Sie von mir so viel über diese Gents hören können, daß Sie zwanzig Opern davon zu komponieren imstande sind. Die Musik dazu müssen Sie sich freilich selber machen.“
    „Natürlich, natürlich! Der Hobble-Frank hat mir alle Abenteuer erzählt, die er mit den Herren erlebte; kann ich von Ihnen noch Ferneres vernehmen, so ist mir das lieb, weil dadurch mein zu bearbeitender Stoff reicher wird.“
    „Sie sollen mehr erfahren, als Sie brauchen. Aber sagten Sie

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