10 - Der Ölprinz
Vielleicht eines Lösegeldes halber?“
„Schwerlich. So etwas wäre die Art weißer Banditen, aber nicht diejenige der Indianer.“
„Also einfach uns ausrauben?“
„Auch nicht, wenigstens nicht allein. Wäre es nur das, so hätte man uns sogleich die Taschen geleert, anstatt uns nur die Waffen abzunehmen. Ich bin kein Westmann und kann also nichts Sicheres sagen, aber ich vermute, das Verhalten der Roten ist eine Folge der zwischen ihnen und den Weißen ausgebrochenen Streitigkeiten.“
„All devils!Dann hätten wir nichts zu hoffen, denn dann wären wir, sozusagen, Kriegsgefangene, und es wird uns wohl an den Kragen gehen!“
„Wenigstens wird das die Absicht der Roten sein.“
„Schöne Aussicht! Am Marterpfahl braten und skalpiert zu werden!“
„So weit sind wir noch nicht! Ich hoffe, wie gesagt, bis zum letzten Augenblick. Wollen zunächst einmal versuchen, ob wir aus den Fesseln kommen können.“
Sie gaben sich alle Mühe; sie strengten ihre Kräfte bis auf das äußerste an, doch ohne jeden Erfolg; die Riemen waren zu fest. Freilich, wenn Old Shatterhand und Winnetou sich an ihrer Stelle befunden hätten, die wären wohl schon nach einigen Minuten ihrer Banden ledig geworden; aber diese beiden hier waren unerfahren, und es fehlte ihnen derjenige Scharfsinn, welcher selbst aus der übelsten Lage noch einen Ausweg findet. Sie gaben ihre Bemühungen, die Riemen zu zersprengen, auf; sie einander aufzuknoten, daran dachten sie nicht, und doch hätten sie, selbst mit gefesselten Händen, wenigstens einen Versuch dazu machen können.
Sie lagen nun still nebeneinander und warteten – eine lange, lange Zeit, wie ihnen dünkte. Da hörten sie über sich ein Geräusch. Der Deckel wurde entfernt. Sie erblickten den blauen Sternenhimmel. Das Unwetter hatte sich also verzogen, und es war Abend geworden. Sie sahen, daß die Leiter herabgelassen wurde und der Häuptling an derselben herniederstieg. Er bückte sich nach ihnen und betastete sie mit seinen Händen. Als er sich überzeugt hatte, daß sie noch gefesselt waren und still gelegen hatten, sagte er: „Die weißen Hunde sind dümmer wie die heulenden Coyoten. Sie kommen in die Wohnung der roten Krieger, ohne zu bedenken, daß jetzt das Messer zwischen uns und ihnen ausgegraben ist. Sie haben uns unser Land, unsre heiligen Orte genommen und uns vertrieben; sie verfolgen und betrügen uns fort und fort. Sie kamen zu wenigen und schwellen zu Millionen an; wir aber waren Millionen und müssen verschwinden wie die Mustangs und Bisons auf der Savanne. Aber wir sterben nicht, ohne uns zu rächen. Das Kriegsbeil ist ausgegraben, und alle Bleichgesichter, welche in unsre Hände fallen, sind verloren. So auch ihr. Morgen früh, sobald der Tag graut, werden die Marterpfähle errichtet werden, und euer Schmerzgeheul wird so laut in die Lüfte schallen, daß die Geier in Scharen kommen werden, um euch das blutige, vor Schmerz dampfende Fleisch vom lebendigen Leib zu reißen. So wird es geschehen, denn Ka Maku, der Häuptling, hat es gesagt!“
Nach diesen Worten stieg er wieder empor, zog die Leiter nach sich und legte den Deckel auf die Öffnung.
Seine Drohung war den beiden durch Mark und Bein gegangen; sie nahmen dieselbe ernst, denn sie wußten nicht, daß er im Auftrag handelte und ihnen ihr Schicksal nur deshalb in so düsterer Farbe malte, damit sie ihrem vermeintlichen Retter später um so dankbarer sein möchten.
Dieser Besuch des Häuptlings drückte den Bankier vollständig nieder, und auch Baumgarten war bei weitem nicht mehr so zuversichtlich wie vorher. Schon morgen früh am Marterpfahl! Das war ja entsetzlich schnell und die Zeit viel, viel zu kurz zu einer möglichen Rettung!
Sie teilten sich ihre Befürchtungen mit; sie zermarterten sich das Gehirn, um einen Ausweg zu finden; sie begannen wieder, an ihren Fesseln zu zerren, so daß dieselben ihnen in das Fleisch schnitten, doch ohne den geringsten Erfolg. Da – es waren wohl einige Stunden vergangen, hörten sie wieder ein Geräusch. Sie blickten nach oben. Der Deckel wurde weggeschoben, und ein Kopf erschien über der Öffnung.
„Pst, pst, Mr. Rollins, seid Ihr etwa da unten?“ hörten sie in unterdrücktem Ton fragen.
„Ja, ja!“ antwortete der Genannte, vor Freude laut, weil er Hoffnung schöpfte.
„Leise, leise! Wenn man etwas von uns hört, bin ich verloren. Ist vielleicht Mr. Baumgarten bei Euch?“
„Ja, ich bin auch hier“, antwortete der Deutsche.
„Endlich, endlich
Weitere Kostenlose Bücher