Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
Befehl über die Mauer. Drei Dutzend der besten Bogenschützen aus der Schwarzen Festung standen bei ihm und hielten sich bereit, einen Pfeilhagel abzuschießen, falls es unten irgendwelche Schwierigkeiten gab.
    Nördlich der Mauer wartete Tormund Riesentod auf einem kleinen kümmerlichen Bergpferd, das viel zu dürr wirkte, um sein Gewicht zu tragen. Seine beiden noch lebenden Söhne standen bei ihm, der große Toregg und der junge Dryn, zusammen mit fünf Dutzend Kriegern.
    » Ha!«, rief Tormund. »Wachen, ja? Wo ist denn das Vertrauen geblieben, Krähe?«
    »Du hast mehr Männer mitgebracht als ich.«
    »Richtig. Komm her, mein Junge. Ich will dich meinem Volk zeigen. Ich habe Tausende, die noch nie einen Lord Kommandanten gesehen haben, erwachsene Männer, denen man als Kind beigebracht hat, eure Grenzer würden sie auffressen, wenn sie nicht artig sind. Sie müssen dich sehen, einen Burschen mit langem Gesicht in einem alten schwarzen Mantel. Sie müssen lernen, dass sie die Nachtwache nicht fürchten müssen.«
    Das ist eine Lektion, die sie lieber nicht lernen sollten. Jon zog den Handschuh von der verbrannten Hand, steckte zwei Finger in den Mund und pfiff. Ghost kam vom Tor herbeigerannt. Tormunds Pferd scheute so heftig, dass der Wildling beinahe aus dem Sattel gefallen wäre. »Nicht fürchten müssen?«, sagte Jon. »Ghost, sitz.«
    »Du bist ein Bastard mit schwarzem Herzen, Lord Krähe.« Tormunds Hornbläser hob sein Kriegshorn an die Lippen. Der Ton hallte wie grollender Donner vom Eis wider, und die ersten Angehörigen des Freien Volkes strömten in Richtung Tor.
    Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schaute Jon zu, wie die Wildlinge an ihm vorbeizogen.
    Die Geiseln kamen als Erste – einhundert Jungen zwischen acht und sechzehn Jahren. »Dein Blutpreis, Lord Krähe«, verkündete Tormund. »Ich hoffe, das Jammern ihrer armen Mütter wird dich bis in deine Träume verfolgen.« Manche der Jungen wurden von ihrem Vater oder ihrer Mutter bis zum Tor begleitet, andere von älteren Geschwistern. Wieder andere kamen allein. Die Vierzehn- und Fünfzehnjährigen waren schon fast erwachsen und wollten nicht den Eindruck erwecken, als würden sie ihrer Mutter am Rockzipfel hängen.
    Zwei Burschen zählten die Jungen, während sie vorbeigingen, und verzeichneten alle Namen auf langen Rollen aus Schafhaut. Ein dritter nahm ihnen die Wertsachen ab und schrieb diese ebenfalls auf. Die Jungen gingen an einen Ort, den keiner von ihnen zuvor gesehen hatte, um einem Orden zu dienen, der von ihren Freunden und Familien seit Tausenden von Jahren als Feind betrachtet wurde, und dennoch sah Jon keine Tränen und hörte keine Mütter klagen. Sie sind das Volk des Winters, rief er sich in Erinnerung. Wo sie herkommen, gefrieren die Tränen auf den Wangen. Keine einzige Geisel sträubte sich oder versuchte einen Fluchtversuch, als es daran ging, den düsteren Tunnel zu betreten.
    Fast alle Jungen waren dünn, manche regelrecht abgemagert. Ihre Arme und Beine waren manchmal so dürr wie Zweige. Das hatte Jon durchaus erwartet. Ansonsten gab es alle Größen und Formen und Farben. Er sah große Jungen und kleine, braunhaarige und schwarzhaarige, honigblonde und rotblonde und rothaarige, die wie Ygritte vom Feuer geküsst waren. Er sah Jungen mit Narben, Jungen, die hinkten, Jungen mit Pockennarben im Gesicht. Viele der älteren hatten Flaum auf den Wangen oder kleine Schnurrbärte, und einer hatte sogar einen Vollbart, der so dicht war wie Tormunds. Manche trugen feine weiche Pelze, manche gehärtetes Leder und Reste von Rüstung, die meisten jedoch Wolle und Seehundsfelle, und einige gingen in Lumpen. Einer war nackt. Viele hatten Waffen: angespitzte Stöcke, Hämmer mit Steinköpfen, Messer aus Knochen oder Stein oder Drachenglas, Keulen mit Stacheln, Wurfnetze und hier und da sogar ein rostiges Schwert. Die Hornfußjungen gingen unbekümmert barfuß durch den Schnee. Andere hatten Bärenpfoten an den Stiefeln und gingen über Schneewehen, ohne einzusinken. Sechs Jungen trafen zu Pferde ein, zwei auf Maultieren. Zwei Brüder kamen mit einer Ziege. Die größte Geisel war zwei Meter groß und hatte dabei noch ein Knabengesicht, die kleinste war ein schmächtiger Junge, der behauptete, neun zu sein, aber kaum wie sechs aussah.
    Am bemerkenswertesten waren die Söhne der Männer, die im Freien Volk berühmt waren. Tormund machte Jon auf jeden aufmerksam, der vorbeiging. »Der Junge da ist der Sohn von Soren Schildbrecher«,

Weitere Kostenlose Bücher