10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
Burschen.
»In zehn Jahren sollten wir fertig sein«, erwiderte Tollett in seinem üblichen düsteren Ton. »Als wir ankamen, wimmelte es dort von Ratten. Die Speerfrauen haben all die fiesen Biester getötet. Jetzt wimmelt es dort von Speerfrauen. An manchen Tagen wünsche ich mir die Ratten zurück.«
»Wie ist der Dienst unter dem Eisernen Emmett?«, fragte Jon.
»Meistens ist es die Schwarze Maris, die unter ihm dient, M’lord. Ich habe dafür die Maultiere. Nessel behauptet, wir wären verwandt. Es stimmt schon, wir haben das gleiche lange Gesicht, aber ich bin nicht halb so störrisch. So oder so, ich habe ihre Mütter nicht gekannt, bei meiner Ehre.« Er aß den letzten Rest Ei und seufzte. »Ich esse gerne mal ein weiches Ei. Wenn es Mylord gefällt, lasst die Wildlinge nicht all unsere Hühner essen.«
Draußen auf dem Hof wurde der Himmel im Osten gerade hell. Es war nicht das kleinste Wölkchen zu sehen. »Wir haben uns einen guten Tag ausgesucht, scheint mir«, sagte Jon. »Einen hellen Tag, der warm und sonnig wird.«
»Die Mauer wird weinen. Und dabei ist der Winter schon fast da. Das ist unnatürlich, M’lord. Ein schlechtes Zeichen, wenn Ihr mich fragt.«
Jon lächelte. »Und wenn es schneien würde?«
»Das wäre ein noch schlechteres Zeichen.«
»Welches Wetter wäre dir denn am liebsten?«
»Eines, wie es in den Häusern herrscht«, sagte der Schwermütige Edd. »Wenn es M’lord gefällt, gehe ich zu meinen Maultieren zurück. Die vermissen mich immer, wenn ich zu lange weg bin. Das ist mehr, als ich von diesen Speerfrauen sagen kann.«
Hier trennten sie sich. Tollett ging zur Straße im Osten, wo seine Wagen warteten, und Jon zu den Ställen. Satin hatte sein Pferd gesattelt und gezäumt und erwartete ihn mit einem feurigen grauen Renner mit einer Mähne, die so schwarz glänzte wie Maestertinte. Er war nicht die Sorte Pferd, die sich Jon für eine Patrouille ausgewählt hätte, aber an diesem Morgen kam es vor allem darauf an, beeindruckend auszusehen, und dafür war der Hengst wie geschaffen.
Sein Gefolge wartete ebenfalls. Jon hatte es nie gemocht, sich mit Wachen zu umgeben, heute hingegen erschien es ihm ratsam, ein paar gute Männer an der Seite zu haben. Sie boten einen grimmigen Anblick in ihren Kettenhemden, eisernen Halbhelmen und schwarzen Mänteln, mit den langen Speeren in den Händen und den Schwertern und Dolchen am Gürtel. Diesmal hatte Jon alle grünen Jungen und alle Graubärte außen vor gelassen und stattdessen acht Mann im besten Alter ausgewählt: Ty und Mully, Linkshand Lew, den Großen Liddle, Rory, Folke den Floh, Garrett Grünspeer. Und Leder, den neuen Waffenmeister der Schwarzen Festung, der dem Freien Volk zeigen sollte, dass selbst jemand, der in der Schlacht unter der Mauer für Mance gekämpft hatte, einen ehrenvollen Posten in der Nachtwache bekleiden konnte.
Als sie sich am Tor versammelt hatten, zeigte sich im Osten ein tiefes, dunkles Morgenrot. Die Sterne erlöschen, dachte Jon. Wenn sie das nächste Mal erscheinen, wird sich die Welt für alle Zeiten verändert haben. Ein paar Männer der Königin standen neben der letzten Glut von Lady Melisandres Nachtfeuer und schauten zu. Als Jon hinüber zum King’s Tower blickte, bemerkte er ein rotes Schimmern hinter einem der Fenster. Von Königin Selyse sah er nichts.
Es war an der Zeit. »Öffnet das Tor«, sagte Jon Snow leise.
» ÖFFNET DAS TOR !«, brüllte der Große Liddle. Seine Stimme klang wie Donner.
Zweihundertzwölf Meter über ihnen hörten die Posten den Befehl und setzten die Kriegshörner an die Lippen. Ihr Ton hallte hinaus in die Welt. Ahoooooooooooooooooooooooooooooo. Ein langer Stoß. Seit tausend Jahren oder länger bedeutete das, dass Grenzer nach Hause kamen. Heute bedeutete es etwas anderes. Heute rief er das Freie Volk in seine neue Heimat.
An beiden Enden des langen Tunnels wurden die Tore aufgestoßen und Eisengitter aufgeschlossen. Das Licht der Dämmerung ließ das Eis über ihren Köpfen schimmern, rosa und golden und violett. Der Schwermütige Edd hatte recht gehabt. Bald würde die Mauer weinen. Mögen die Götter geben, dass nur sie weint.
Satin ging unter dem Eis voraus und leuchtete ihnen im Zwielicht des Tunnels mit einer eisernen Laterne. Jon folgte ihm und führte sein Pferd am Zügel. Dann kamen die Wachen. Hinter ihnen folgten Bowen Marsh und seine Burschen, zwanzig Mann, von denen jeder eine andere Aufgabe hatte. Oben hatte Ulmer aus dem Königswald den
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