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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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zu dienen, und manche nicht. Sage das Wort, und ich werde dich von dieser Aufgabe entbinden.«
    »Ich werde es tun. Das habe ich gesagt. Ich tue es.«
    Doch wie ? Die Frage war schwieriger.
    Er hatte Leibwächter. Zwei, einen großen dünnen Mann und einen kleinen dicken. Sie begleiteten ihn überallhin, von dem Moment an, in dem er morgens das Haus verließ, bis er abends wieder dorthin zurückkehrte. Sie sorgten dafür, dass dem alten Mann ohne seine Erlaubnis niemand zu nahe kam. Einmal wäre ein Betrunkener fast gegen ihn getaumelt, als er aus der Suppenküche kam, doch der Große war dazwischengetreten und hatte den Mann mit einem harten Stoß zu Boden geworfen. In der Suppenküche probierte der Kleine die Zwiebelbrühe immer zuerst. Der alte Mann wartete, bis die Brühe abgekühlt war, ehe er einen Schluck trank, und bis dahin war genug Zeit genug verstrichen, dass er sicher sein konnte, dass sein Leibwächter keinen Schaden genommen hatte.
    »Er hat Angst«, erkannte sie, »oder er weiß, dass ihn jemand töten will.«
    »Er weiß es nicht«, entgegnete der Gütige Mann, »aber er vermutet es.«
    »Die Leibwächter gehen sogar mit, wenn er hinausgeht und Wasser lässt«, sagte sie, »aber er geht nicht mit hinaus, wenn sie gehen. Der Große ist schneller. Ich warte, bis er Wasser lässt, gehe in die Suppenküche und ersteche den alten Mann durch das Auge.«
    »Und der andere Leibwächter?«
    »Er ist langsam und dumm. Den kann ich auch umbringen.«
    »Bist du ein Schlächter auf dem Schlachtfeld, der jeden Mann niedermacht, der ihm im Wege steht?«
    »Nein.«
    »Das will ich hoffen. Du bist ein Diener des Vielgesichtigen Gottes, und wir, die wir Ihm mit den Vielen Gesichtern dienen, übergeben die Gabe nur an jene, die ausgewählt und vorgemerkt wurden.«
    Sie verstand. Töte ihn. Töte nur ihn.
    Sie musste ihn noch drei weitere Tage beobachten, ehe sie wusste, wie sie es tun würde, und einen weiteren Tag brauchte sie, um mit ihrem Fingermesser zu üben. Der Rote Roggo hatte ihr gezeigt, wie man damit umgeht, aber sie hatte keinen Beutel mehr aufgeschnitten, seit sie ihr die Augen genommen hatten. Sie wollte sichergehen, dass sie es noch konnte. Schnell und zügig, so macht man das, ohne große Umstände, sagte sie sich und ließ die kleine Klinge aus ihrem Ärmel rutschen, wieder und wieder und wieder. Als sie wusste, dass sie es noch konnte, schärfte sie den Stahl mit einem Wetzstein, bis die Schneide im Kerzenlicht silbrig blau glänzte. Der andere Teil war schwieriger, aber die Heimatlose würde ihr helfen. »Ich werde dem Mann morgen die Gabe überreichen«, verkündete sie beim Frühstück.
    »Er mit den Vielen Gesichtern wird erfreut sein.« Der Gütige Mann erhob sich. »Katz aus den Kanälen ist zu bekannt. Wenn sie gesehen wird, wie sie diese Tat begeht, könnten Brusco und seine Töchter Schwierigkeiten bekommen. Es ist an der Zeit, dass du ein anderes Gesicht bekommst.«
    Das Mädchen lächelte nicht, doch innerlich war sie zufrieden. Sie hatte Katz einmal verloren und um sie getrauert. Ein zweites Mal wollte sie sie nicht verlieren. »Wie werde ich aussehen?«
    »Hässlich. Frauen werden sich abwenden, wenn sie dich sehen. Kinder werden dich anstarren und mit dem Finger auf dich zeigen. Starke Männer werden dich bemitleiden, und mancher wird eine Träne vergießen. Niemand, der dich sieht, wird dich so bald vergessen. Komm.«
    Der Gütige Mann nahm die Eisenlaterne vom Haken und führte sie am stillen schwarzen Becken und den dunklen, schweigenden Göttern vorbei zu der Treppe im hinteren Teil des Tempels. Die Heimatlose gesellte sich zu ihnen, als sie die Stufen hinunterstiegen. Niemand sagte ein Wort. Das einzige Geräusch war das leise Schlurfen der Pantoffeln auf der Treppe. Achtzehn Stufen führten sie hinab in die Gewölbe, wo fünf Bogengänge auseinanderstrebten wie die gespreizten Finger einer Hand. Hier unten wurden die Stufen schmaler und steiler, doch das Mädchen war sie tausendmal hinauf- und hinuntergelaufen, daher bargen sie keine Schrecken für sie. Nach zweiundzwanzig weiteren Stufen erreichten sie den unteren Keller. Hier waren die Gänge eng und verwinkelt, schwarze Wurmlöcher, die sich durch das Herz des großen Felsens schlängelten. Ein Gang wurde von einer schweren Eisentür verschlossen. Der Priester hängte die Laterne an einen Haken, griff mit einer Hand in seine Robe und holte einen kunstvoll verzierten Schlüssel hervor.
    Sie bekam Gänsehaut auf den Armen. Das

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