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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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gemein, und er hat den Bart eines Schurken.«
    Der Gütige Mann lachte. »Er ist ein Mann wie jeder andere, in ihm gibt es Licht und Dunkelheit. Es steht dir nicht zu, über ihn zu urteilen.«
    Das brachte sie zum Nachdenken. »Haben die Götter über ihn geurteilt?«
    »Manche Götter vielleicht. Wozu sind Götter schon da, wenn nicht dazu, über Menschen zu urteilen? Der Vielgesichtige Gott allerdings wiegt die Seelen der Menschen nicht. Er gewährt seine Gabe den besten Menschen ebenso wie den schlechtesten. Ansonsten würden die Guten ja ewig leben.«
    Das Schlimmste an dem alten Mann waren seine Hände, entschied Katz am nächsten Tag, während sie hinter ihrem Karren stand und ihn beobachtete. Seine Finger waren lang und knochig, ständig in Bewegung, kratzten seinen Bart, zupften an einem Ohr, trommelten auf den Tisch, zuckten, zuckten, zuckten. Er hat Hände wie zwei weiße Spinnen. Je mehr sie seine Hände beobachtete, desto mehr begann sie sie zu hassen.
    »Er bewegt die Hände zu viel«, erzählte sie im Tempel. »Er muss voller Angst stecken. Die Gabe wird ihm Frieden spenden.«
    »Die Gabe spendet allen Menschen Frieden.«
    »Wenn ich ihn töte, wird er mir in die Augen sehen und mir danken.«
    »Falls er das tut, hast du versagt. Es wäre am besten, wenn er dich überhaupt nicht bemerkt.«
    Der alte Mann war eine Art Kaufmann, schlussfolgerte Katz, nachdem sie ihn einige Tage lang beobachtet hatte. Sein Handel hatte mit dem Meer zu tun, obwohl sie ihn nie einen Fuß an Bord eines Schiffes setzen sah. Er verbrachte seine Tage in einer Suppenküche nahe dem Violetten Hafen, wo er einen Becher mit Zwiebelbrühe neben seinem Ellbogen abkühlen ließ, während er Papiere und Siegelwachs hin und her schob und in barschem Ton mit Kapitänen, Schiffseignern und anderen Kaufleuten sprach, die bei ihm vorbeikamen und von denen ihn keiner besonders zu mögen schien.
    Dennoch brachten sie ihm Geld: Lederbeutel, die prall mit Gold und Silber und den Eisenmünzen von Braavos gefüllt waren. Der alte Mann zählte sie alle, sortierte die Münzen und stapelte sie ordentlich, gleich auf gleich. Er sah sich die Münzen niemals an. Stattdessen biss er hinein, immer mit der linken Seite seines Mundes, wo er noch alle Zähne hatte. Von Zeit zu Zeit drehte er eine auf dem Tisch und hörte sich den Klang an, den sie hervorrief, wenn sie klimpernd zum Halten kam.
    Wenn alle Münzen gezählt und geprüft waren, kritzelte der alte Mann etwas auf ein Pergament, setzte sein Siegel darauf und überreichte es dem Kapitän. Oder er schüttelte den Kopf und schob die Münzen über den Tisch zurück. Wann immer er das tat, bekam sein Gegenüber einen roten Kopf und wurde wütend oder erbleichte und wirkte verängstigt.
    Katz verstand das nicht. »Sie zahlen ihm Gold und Silber, und er gibt ihnen nur Schriftstücke. Sind sie dumm?«
    »Einige wenige vielleicht. Die meisten sind einfach vorsichtig. Manche wollen ihn betrügen. Allerdings lässt er sich nicht leicht betrügen.«
    »Aber was verkauft er ihnen?«
    »Er stellt jedem von ihnen eine Versicherung aus. Wenn ihre Schiffe in einem Sturm untergehen oder von Piraten gekapert werden, verspricht er ihnen, den Wert des Schiffes und der gesamten Fracht zu ersetzen.«
    »Ist das eine Art Wette?«
    »Gewissermaßen. Eine Art Wette, die jeder Kapitän zu verlieren hofft.«
    »Ja, aber wenn sie gewinnen …«
    »… verlieren sie ihre Schiffe und oftmals auch ihr Leben. Die See ist gefährlich, und ganz besonders im Herbst. Ohne Zweifel ist es für viele Kapitäne, die im Sturm ertrinken, ein kleiner Trost zu wissen, dass sie zu Hause in Braavos eine Versicherung haben, denn dann können sie sicher sein, dass es ihren Witwen und ihren Kindern an nichts fehlen wird.« Ein trauriges Lächeln huschte über seine Lippen. »Es ist allerdings eine Sache, eine solche Versicherung auszustellen, und eine ganz andere, sie auch auszuzahlen.«
    Katz verstand. Einer von ihnen muss ihn hassen. Einer von ihnen ist ins Haus von Schwarz und Weiß gekommen und hat gebetet, der Gott möge ihn zu sich holen. Sie fragte sich, wer das gewesen sein mochte, aber der Gütige Mann wollte es ihr nicht verraten. »Es steht dir nicht zu, deine Nase in diese Angelegenheiten zu stecken«, sagte er. »Wer bist du?«
    »Niemand.«
    »Niemand stellt keine Fragen.« Er nahm ihre Hände. »Wenn du es nicht tun kannst, brauchst du es nur zu sagen. Es wäre keine Schande. Manche sind dafür geschaffen, dem Vielgesichtigen Gott

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