Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
hochgezogen worden und sechs Meter niedriger, doch dafür dicker und in besserem Zustand. Statt der viereckigen konnte sie achteckige Türme vorweisen. Zwischen den beiden Mauern lag der Wassergraben, tief und breit … und zugefroren. Langsam breite-
ten sich Schneewehen auf der eisigen Oberfläche aus. Oben auf dem Wehrgang häufte sich ebenfalls Schnee an, füllte die Zwischenräume zwischen den Zinnen aus und setzte den Türmen weiße, weiche Hüte auf.
    Jenseits der Mauern verwandelte sich die Welt in Weiß, so weit das Auge reichte. Die Wälder, die Felder, die Kingsroad, alles bedeckte der Schnee mit einem hellen, weichen Mantel; er begrub die Überreste des Winterdorfs und versteckte die verkohlten Mauern, die allein übriggeblieben waren, nachdem Ramsays Männer die Häuser angezündet hatten. Die Wunden, die Snow geschlagen hat, verhüllt der Schnee nun, aber das stimmte nicht. Ramsay war jetzt ein Bolton, kein Snow, nie mehr ein Snow.
    Weiter in der Ferne waren die Rillen der Kingsroad verschwunden zwischen Feldern und gewellten Hügeln. Man sah nur eine weite, weiße Landschaft. Und der Schnee fiel weiter, rieselte lautlos aus einem windstillen Himmel herunter. Irgendwo da draußen ist Stannis Baratheon und friert. Würde Lord Stannis versuchen, Winterfell zu stürmen? Wenn er das tut, ist sein Schicksal besiegelt. Die Burg war zu stark. Trotz des gefrorenen Burggrabens hatte sie gewaltige Verteidigungsanlagen. Theon hatte die Burg durch eine List eingenommen. Er hatte seine besten Männer losgeschickt, damit sie heimlich und im Schutz der Dunkelheit die Mauer hinaufkletterten und durch den Burggraben schwammen. Die Verteidiger hatten nichts von dem Angriff bemerkt, bis es zu spät gewesen war. So etwas war Stannis jetzt nicht mehr möglich.
    Vielleicht würde er es vorziehen, die Burg von der Außenwelt abzuschneiden und die Verteidiger auszuhungern. Winterfells Lagerräume und Kellergewölbe waren leer. Ein langer Versorgungstross war mit Bolton und seinen Freunden von den Freys durch die Neck heraufgekommen, Lady Staublin hatte Essen und Futter aus Barrowton mitgebracht, und Lord Manderly war ebenfalls bestens versorgt aus White Harbor eingetroffen … doch das Heer war riesig. Wenn es so viele Mäuler zu stopfen gab, würden die Vorräte nicht lange reichen. Lord Stannis und seine Männer werden allerdings genauso hungrig sein. Und sie werden frieren, wunde Füße haben und nicht in der Verfassung sein, eine Schlacht zu schlagen … doch der Sturm wird sie dazu zwingen, sich aus Verzweiflung einen Weg in die Burg zu erkämpfen.
    Auch über dem Götterhain schneite es, doch die Flocken schmolzen, wenn sie den Boden erreichten. Unter den weißgekleideten Bäumen hatte sich die Erde in Schlamm verwandelt. Nebelfetzen hingen in der Luft wie geisterhafte Bänder. Warum bin ich hierhergekommen? Das sind nicht meine Götter. Hier habe ich nichts verloren. Der Herzbaum stand vor ihm, ein bleicher Riese mit geschnitztem Gesicht und Laub wie blutigen Händen.
    Ein dünner Eisfilm bedeckte die Oberfläche des Tümpels unter dem Wehrholzbaum. Theon sank daneben auf die Knie. »Bitte«, stieß er murmelnd durch seine Zahnstümpfe hervor, »ich wollte es nie …« Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. »Rettet mich«, brachte er schließlich hervor. »Gewährt mir …« Was? Kraft? Mut? Gnade? Um ihn herum fiel bleich und schweigend Schnee und behielt seine Gedanken für sich. Das einzige Geräusch war ein leises Schluchzen. Jeyne, dachte er. Sie ist es, sie weint in ihrem Brautbett. Wer könnte es sonst sein? Götter weinen nicht. Oder doch?
    Der Laut war zu schmerzhaft, um ihn zu ertragen. Theon packte einen Ast, zog sich auf die Füße, wischte sich den Schnee von den Beinen und humpelte zurück zu den Lichtern. In Winterfell gibt es Geister, dachte er, und ich bin einer von ihnen.
    Als Theon Greyjoy wieder im Hof ankam, standen dort noch mehr Schneemänner. Um die Schneewächter auf der Mauer zu befehligen, hatten die Knappen ein Dutzend Lords aus Schnee gebaut. Einer war eindeutig als Lord Manderly zu erkennen, er war der fetteste Schneemann, den Theon je gesehen hatte. Der einarmige Lord konnte nur Harwood Stout sein, die Schneefrau musste Barbra Staublin sein. Und der an der Tür mit dem Bart aus Eiszapfen war wohl Hurentod Umber.
    Im Inneren gaben die Köche einen Eintopf aus Rindfleisch und Gerste aus, der mit Karotten und Zwiebeln angedickt war und in ausgehöhltem Brot von gestern serviert wurde.

Weitere Kostenlose Bücher