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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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immer die Stadt der Harpyie bleiben, und Daenerys konnte keine Harpyie sein.
    Niemals, sagte das Gras mit der barschen Stimme von Jorah Mormont. Ihr wurdet gewarnt, Euer Gnaden. Lasst diese Stadt links liegen, habe ich gesagt. Euer Krieg erwartet Euch in Westeros, ich habe es Euch gesagt.
    Die Stimme war nur ein Wispern, und dennoch schien es Dany, als würde er direkt hinter ihr gehen. Mein Bär, dachte sie, mein süßer alter Bär, der mich geliebt und mich verraten hat. Sie hatte ihn so sehr vermisst. So gern würde sie sein hässliches Gesicht wiedersehen, so gern würde sie ihre Arme um ihn schlingen und sich an seine Brust drücken, aber sie wusste, wenn sie sich umdrehte, wäre Ser Jorah verschwunden. »Ich träume«, sagte sie. »Ein Wachtraum, ein Wandertraum. Ich bin allein und verloren.«
    Verloren, weil Ihr verweilt habt, an einem Ort, an dem Ihr niemals hättet sein sollen, murmelte Ser Jorah, so leise wie der Wind. Allein, weil Ihr mich fortgeschickt habt.
    » Ihr habt mich verraten. Ihr habt Bericht über mich erstattet, für Gold.«
    Um nach Hause zurückkehren zu können. Nach Hause zurückzukehren war alles, was ich wollte.
    » Und mich. Ihr habt mich gewollt.« Dany hatte es in seinen Augen gesehen.
    Ja, flüsterte das Gras traurig.
    »Ihr habt mich geküsst. Ich habe es Euch nicht erlaubt, aber Ihr habt es trotzdem getan. Ihr habt mich an meine Feinde verkauft, doch als Ihr mich geküsst habt, war das Euer eigener Wunsch.«
    Ich habe Euch gute Ratschläge erteilt. Spart Euch Eure Speere und Schwerter für die Sieben Königslande auf, habe ich zu Euch gesagt. Überlasst Meereen den Meereenern und zieht nach Westen, habe ich gesagt. Ihr habt nicht auf mich gehört.
    » Ich musste Meereen erobern, sonst wären meine Kinder auf dem langen Marsch verhungert.« Dany sah noch immer die Spur der Toten, die in der Roten Wüste hinter ihr zurückgeblieben war. Einen solchen Anblick wollte sie nie wieder erleben. »Ich musste Meereen erobern, um mein Volk zu ernähren.«
    Ihr habt Meereen eingenommen, und dennoch habt Ihr verweilt.
    » Um eine Königin zu sein.«
    Ihr seid eine Königin, sagte ihr Bär. In Westeros.
    » Der Weg dorthin ist so weit«, beklagte sie sich. »Ich war müde, Jorah. Ich war den Krieg leid. Ich wollte mich ausruhen, ich wollte lachen, und ich wollte Bäume pflanzen und ihnen beim Wachsen zusehen. Ich bin doch nur ein junges Mädchen.«
    Nein. Ihr seid das Blut des Drachen. Das Flüstern wurde leise, als ob Ser Jorah immer weiter hinter ihr zurückbliebe. Drachen pflanzen keine Bäume. Vergesst das nicht. Erinnert Euch daran, wer Ihr seid, und wozu Ihr erschaffen wurdet. Erinnert Euch an Eure Worte.
    » Feuer und Blut«, erzählte Daenerys dem schwankenden Gras.
    Ein Stein kippte unter ihrem Fuß. Sie stolperte, fiel auf ein Knie und schrie vor Schmerz. Wider alle Vernunft hoffte sie, ihr Bär würde sie aufheben und ihr auf die Beine helfen. Als sie sich nach ihm umschaute, sah sie nur das braune Rinnsal … und das Gras, das sanft wogte. Der Wind, redete sie sich ein, der Wind bewegt die Halme und wiegt sie hin und her. Aber es ging gar kein Wind. Die Sonne stand über ihr, die Welt war still und heiß. Mücken schwirrten durch die Luft, und eine Drachenfliege schwebte über den Bach und jagte hierhin und dorthin. Und das Gras wogte ohne jeden Grund.
    Sie tastete im Wasser herum, fand einen Stein in der Größe ihrer Faust und zog ihn aus dem Schlamm. Es war eine armselige Waffe, dennoch besser, als mit leeren Händen dazustehen. Aus den Augenwinkeln sah Dany wieder eine Bewegung im Gras, rechts von sich. Das Gras schwankte und neigte sich wie vor einem König, aber vor ihr erschien kein König. Die Welt war grün und leer. Ich sollte aufstehen, sagte sie sich. Ich muss weitergehen. Ich muss dem Bach folgen.
    Aus dem Gras hörte sie ein leises, silbriges Läuten.
    Glöckchen, dachte Dany, lächelte und erinnerte sich an Khal Drogo, ihre Sonne, ihre Sterne, und an die Glöckchen, die er in sein Haar geflochten hatte. Wenn die Sonne im Westen aufgeht und im Osten versinkt. Wenn das Meer austrocknet und die Berge wie Blätter im Wind verwehen, wenn mein Schoß wieder Früchte trägt und ich ein lebendiges Kind gebäre, dann wird Khal Drogo zu mir zurückkehren.
    Aber nichts von alledem war bisher geschehen. Glöckchen, dachte Dany erneut. Ihre Blutreiter hatten sie gefunden. »Aggo«, flüsterte sie. »Jhogo. Rakharo.« Ob Daario mit ihnen gekommen war?
    Das grüne Meer öffnete sich.

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