10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

genug.« Ser Aenys Frey strich sich durch den dünnen braunen Bart, der wie ein Rattenschwanz aus seinem fliehenden Kinn spross. »Vier Finger an der rechten Hand. Er kann noch immer ein Schwert halten. Oder einen Dolch.«
    Lady Staublin lachte. »Seid Ihr Freys alle solche Narren? Seht ihn Euch an. Einen Dolch halten? Er hat kaum genug Kraft, einen Löffel zu halten. Glaubt Ihr wirklich, er hätte dieses abscheuliche Geschöpf des Bastards überwinden und ihm die Männlichkeit in die Kehle rammen können?«
    »All diese Toten waren kräftige Kerle«, erklärte Roger Ryswell, »und keiner wurde erstochen. Der Abtrünnige ist nicht unser Mörder.«
    Roose Bolton richtete die farblosen Augen auf Theon. Sein Blick war so scharf wie Häuters Abdeckmesser. »Ich bin geneigt, dem zuzustimmen. Die Kraft einmal außer Acht gelassen, hätte er gar nicht die Kraft, meinen Sohn zu verraten.«
    Roger Ryswell schnaubte. »Wenn nicht er, wer dann? Stannis hat einen Mann in der Burg, das ist nicht zu übersehen.«
    Stinker ist gar kein Mann. Stinker nicht. Ich nicht. Er fragte sich, ob Lady Staublin ihnen von den fehlenden Schwertern in der Gruft erzählt hatte.
    »Wir müssen den Blick gen White Harbor richten«, murmelte Ser Aenys Frey. »Lord Wyman hat nicht viel für uns übrig.«
    Ryswell überzeugte das nicht. »Er hat allerdings viel für Schnitzel, Koteletts und Fleischpasteten übrig. Wenn er im Dunkeln durch die Burg wandeln wollte, müsste er sich vom Tisch erheben. Das tut er aber nur, um sich für eine stundenlange Sitzung auf den Abtritt zu begeben.«
    »Ich behaupte ja nicht, Lord Wyman morde mit eigener Hand. Er hat dreihundert Mann mitgebracht. Hundert Ritter. Jeder von ihnen hätte …«
    »Diese nächtlichen Taten sind nicht das Werk eines Ritters«, wandte Lady Staublin ein. »Und Lord Wyman ist nicht der Einzige, der auf der Roten Hochzeit Verwandte verloren hat, Frey. Glaubt Ihr vielleicht, Hurentod würde Euch lieber mögen? Wenn Ihr nicht den Greatjon in Eurer Gewalt hättet, würde er Euch die Eingeweide herausreißen und sie Euch fressen lassen, so wie Lady Hornwood ihre Finger gefressen hat. Flints, Cerwins, Tallhearts, Schiefers … sie alle hatten Männer beim Jungen Wolf.«
    »Das Haus Ryswell ebenfalls«, sagte Roger Ryswell.
    »Sogar die Staublins aus Barrowton.« Lady Staublin verzog die Lippen zu einem schmalen, wölfischen Lächeln. »Der Norden erinnert sich, Frey.«
    Aenys Freys Mund zitterte vor Wut. »Stark hat uns entehrt. Daran solltet Ihr Nordmänner Euch besser erinnern.«
    Roose Bolton rieb sich die aufgesprungenen Lippen. »Dieses Gezanke hilft uns nicht weiter.« Er schnippte mit den Fingern in Theons Richtung. »Ihr dürft gehen. Passt auf, wo Ihr Euch herumtreibt. Nicht, dass wir morgen früh Eure Leiche mit einem roten Lächeln auffinden.«
    »Wie Ihr wünscht, M’lord.« Theon zog die Handschuhe wieder über die verstümmelten Finger und humpelte auf seinen verstümmelten Füßen hinaus.
    Zur Stunde des Wolfes war er immer noch wach und drehte, in dicke Lagen schwerer Wolle und schmierigen Pelzes gehüllt, eine weitere Runde auf der Innenmauer, in der Hoffnung, endlich erschöpft genug zu sein, um schlafen zu können. Der Schnee klebte bis zu den Knien an seinen Beinen, Kopf und Schulter waren mit Weiß bedeckt. Auf diesem Abschnitt des Wehrgangs fegte ihm der Wind ins Gesicht, und geschmolzener Schnee rann ihm wie Eistränen über die Wangen.
    Dann hörte er das Horn.
    Ein langes, tiefes Klagen schien über den Wehrgängen zu hängen, verweilte in der schwarzen Luft und ging jedem Mann, der es hörte, durch Mark und Bein. Überall auf den Burgmauern drehten sich die Wachen zu dem Ton um und packten die Schäfte ihrer Speere fester. In den zerfallenen Hallen und Türmen Winterfells bedeuteten Lords anderen Lords zu schweigen. Pferde wieherten, und Schläfer rührten sich in ihren dunklen Ecken. Sobald das Kriegshorn verklungen war, begann die Trommel zu schlagen: UNTER gang UNTER gang UNTER gang. Und ein Name ging von Mund zu Mund und wurde in kleinen weißen Atemwolken geschrieben: Stannis , flüsterten die Männer, Stannis ist hier, Stannis ist gekommen, Stannis, Stannis, Stannis.
    Theon schauderte. Baratheon oder Bolton bedeutete für ihn keinen Unterschied. Stannis machte gemeinsame Sache mit Jon Snow an der Mauer, und Jon würde ihm ohne mit der Wimper zu zucken den Kopf abschlagen. Aus den Klauen des einen Bastards befreit, nur um in den Händen eines anderen Bastards zu