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10 - Operation Rainbow

10 - Operation Rainbow

Titel: 10 - Operation Rainbow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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und die Zelle im Le-Sante-Gefängnis war nicht dazu angetan, ihn zu einem solchen zu machen. Einst war er der meistgefürchtete Terrorist der Welt gewesen und hatte so manchen mit bloßer Hand umgebracht, so beiläufig, wie man den Reißverschluß am Hosenlatz zuzieht. Jede Polizei und jeder Geheimdienst der Welt war ihm auf den Fersen gewesen, doch von seinen Schlupfwinkeln in Osteuropa aus hatte er ihnen allen eine Nase gedreht. Dort las er auch von den Spekulationen in den Medien, wer er wirklich wäre, für wen er arbeite, zusammen mit KGB-Berichten über das, was internationale Agenturen aufbieten wollten, um ihn zu schnappen... bis der Eiserne Vorhang zerriß und er in Osteuropa nicht mehr sicher war. Schließlich landete er im Sudan, wo es brenzlig für ihn wurde. Einer kleinen Gesichtskorrektur wollte er sich unterziehen, war zu einem Arzt seines Vertrauens gegangen, der ihn operieren wollte und ihm eine Narkose gab... Aufgewacht war er an Bord eines französischen Firmenjets, festgeschnallt an ein Streckbett, begleitet von einem Franzosen, der ihn mit Bonjour, Monsieur le Chacal und dem strahlenden Lächeln eines Jägers begrüßte, der mit einem Lassowurf die gefährlichste Raubkatze der Welt zur Strecke gebracht hatte. Als man ihn endlich vor Gericht stellte, war es wegen Mordes an einem feigen Informanten und zwei Spionen der französischen Abwehr im Jahre 1975. Er verteidigte sich mit Vehemenz, wobei die Anklage seinem übersteigerten Selbstwertgefühl nichts anhaben konnte. Unter anderem erklärte er sich zum »Berufsrevolutionär« gegenüber einer Nation, die ihrer Revolution eine Zweihundertjahrfeier gewidmet hatte und nicht die geringste Lust auf eine weitere zu haben schien.
    Doch das Schlimmste, was ihm passieren konnte, war die Verurteilung als... gewöhnlicher Krimineller, als wären seine Taten nicht in erster Linie politisch motiviert gewesen. Mit aller Macht hatte er das verhindern wollen, aber der Staatsanwalt gab ihm keine Chance und verlas das Plädoyer voller Abscheu - schlimmer noch, er blieb nüchtern und sachlich in der Beweis führung und verkniff sich den Abscheu. Sanchez wahrte seine Würde, doch innerlich fühlte er sich wie ein Tier in der Falle und strengte sich an, keine Miene zu verziehen. Das Urteil überraschte niemanden mehr.
    Das Gefängnis war bereits hundert Jahre alt gewesen, als er zur Welt kam, und grenzte an die Mauern eines mittelalterlichen Kerkers. Seine eigene Zelle hatte ein winziges Fenster, aber er war zu klein, um auch nur ans Gitter zu reichen. Trotzdem beobachtete ihn Tag und Nacht das Auge einer Kamera, die ihn wie ein exotisches Wesen in einem Spezialkäfig überwachte. Er war so allein, wie man nur sein konnte; jeder Kontakt zu seinen Mithäftlingen wurde unterbunden, nur einmal am Tag durfte er eine Stunde »Gymnastik« in einem öden Gefängnishof zwischen Betonmauern absolvieren. Wesentlich mehr war auch nicht zu erwarten für den Rest seiner Jahre, und das raubte Carlos nahezu allen Lebensmut. Das Schlimmste war die Langeweile. Gewiß, er hatte Bücher zum Lesen, aber würde er je wieder über die paar Quadratmeter seiner Zelle hinauskommen? Und das Schlimmste, die ganze Welt wußte, daß der Schakal für alle Ewigkeit gefangen saß. Man konnte ihn abhaken.
    Abhaken? Einst hatte sein Name die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt. Das war bei weitem das Schmerzlichste.
    Er nahm sich vor, seinen Anwalt zu kontaktieren. Diese Gespräche waren noch immer sein ungestörtes Privileg, und sein Anwalt kannte einige Namen und Telefonnummern.

    ***

    »Gehen wir an den Start«, erklärte Malloy. Beide Turbomotoren erwachten zum Leben, und augenblicklich fingen die vier Rotorblätter zu kreisen an.
    »Scheußlicher Tag«, bemerkte Leutnant Harrison über Sprechfunk.

    »Schon lange hier?« wollte Malloy wissen.
    »Erst ein paar Wochen, Sir.«
    »Tja, mein Sohn... Jetzt weißt du, warum die Briten die Luftschlacht um England gewonnen haben. Wer sonst könnte in dieser Milchsuppe fliegen!« Der Marinemann blickte sich um. Niemand sonst schien sich heute in die Lüfte zu wagen. Die Wolkendecke lag bei höchstens 300 Metern, und der Regen prasselte ziemlich heftig. Malloy überprüfte die Armatur, doch alle Zeiger standen im grünen Bereich.
    »Wohl wahr, Oberstleutnant. Wieviele Stunden haben Sie im Night-Hawk geflogen?«
    »So um die siebenhundert. Der Pave-Low bietet mehr Ausdauer, und der hier hüpft lieber. Werden wir nachher sehen, mein Junge.«

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