10 - Operation Rainbow
half ihm auf, dann begleitete er ihn zurück in den Saal. Als nächstes nahm er die Blutproben mit ins Versuchslabor. In dreißig Minuten wußte er genau Bescheid. Der Antikörpertest fiel noch immer positiv aus, und unter dem Mikroskop zeigte sich, wogegen die Antikörper kämpften - wenn auch vergebens.
Erst zwei Jahre zuvor hatte jemand versucht, Amerika mit der natürlichen Version dieses Virus zu vergiften, den manche »Hirtenstab« nannten. Ein wenig abgewandelt zwar, in einem Gentechniklabor mit dem Krebs-DNA verknüpft, das den negativen RNA-Strang noch robuster machen sollte, aber das war, als wolle man dem Virus einen Regenmantel anziehen. Die Gentechniker hatten seine Latenzperiode verdreifacht, mehr kam dabei nicht heraus. Früher gab man dem Erreger höchstens vier bis zehn Tage, jetzt überlebte er fast einen Monat. Maggie verstand ihr Handwerk wirklich gut, und sie hatte auch gleich den richtigen Namen gefunden. Shiva war ein tückischer kleiner Bursche. Er hatte Chester auf dem Gewissen - naja, eigentlich hatte ihm die Pottasche den Rest gegeben, als er bereits todgeweiht war - und jetzt würde er über Pete herfallen. Dem würde man keinen Gnadenstoß gewähren. Pete mußte weiterleben, bis ihn die Krankheit dahinraffte. Seine körperliche Kondition war beinahe normal, so daß sie sich anstrengen würden, um festzustellen, was gute Pflege und Behandlung gegen die Symptome des Ebola-Shiva-Virus ausrichten konnten. Wahrscheinlich nichts, aber das galt es nachzuweisen. Blieben neun weitere Primärsubjekte zum Testen, und elf weitere am anderen Ende des Instituts - sie waren für die eigentliche Versuchsserie da. Die waren kerngesund, wenigstens glaubte das die Firma. Man würde beides untersuchen: die Methode der Direktübertragung und die Eignung Shivas zur Seuchenverbreitung, anschließend die Effizienz der Impfstoffe, die Steve Berg vergangene Woche isoliert hatte.
Damit konnte Killgore für heute Feierabend machen. Er begab sich nach draußen. Die Abendluft war kühl, frostig und rein - wenigstens so rein, wie sie in diesem Teil der Welt sein konnte. Es gab Millionen und Abermillionen Kraftfahrzeuge in diesem Land, die ihre Kohlenmonoxyde in die Atmosphäre bliesen. Killgore fragte sich, wie es ihm in zwei oder drei Jahren ergehen mochte, wenn all das vorbei war. Im Licht der Bogenlampen vor dem Gebäude sah er Fledermäuse flattern. Eigentlich toll - Redermäuse bekam man selten zu sehen. Vermutlich jagten sie Insekten, und er wünschte, sein Ohr könnte die Ultraschallsignale wahrnehmen, die sie wie Radar aussandten, um ihre Beute zu finden.
Auch Vögel waren dort oben unterwegs. Eulen vor allem, die großen Räuber der Nacht, die mit sanftem, leisem Flügelschlag in Scheunen rauschten, wo sie Mäuse fingen, vertilgten und verdauten, um die Knochen und Haare ihrer Opfer als kompakte Gewöllkugeln wieder zu erbrechen. Killgore fühlte sich den Raubvögeln weit mehr verbunden als den Beutetieren. Aber das war ganz in Ordnung so. Schließlich war er mit den Raubvögeln verwandt, diesen wilden, großartigen Killern, die gewissenlos töteten, weil Mutter Natur kein Gewissen kannte. Sie gab das Leben mit der einen Hand und nahm es mit der anderen. Dieser ewige Kreislauf des Lebens hatte die Erde zu dem gemacht, was sie war. Große Männer hatten immer wieder versucht, das zu ändern, doch andere Männer stellten die Funktion dieses Kreislaufs wieder her, rasch und gründlich, und er würde dabei sein. Daß er nicht mehr erleben würde, wie all die Schrunden auf dem Antlitz der Erde vernarbten, war schade, aber vermutlich wurde er alt genug, um wenigstens noch die wichtigsten Änderungen mitzubekommen. Bald wäre die Umweltverschmutzung beendet, von heute auf morgen. Tiere würden nicht länger gemästet und vergiftet. Der Himmel würde aufklaren, und das Land sich bald wieder mit Leben füllen, wie die Natur es verlangte, während er und seine Kollegen die großartige Wandlung beobachteten. Und war der Preis auch noch so hoch, der Gewinn lohnte es. Die Erde gehörte jenen, die imstande waren, sie zu akzeptieren und zu achten. Schließlich griff er auf ein bewährtes Regulierungsmittel der Natur zurück - wenn auch mit ein bißchen menschlicher Nachhilfe. Benutzten Menschen all ihre Fähigkeiten nur dazu, der Welt zu schaden, konnten andere Menschen sie auf ähnliche Weise wieder in Ordnung bringen. Chester und Pete hätten das wohl nicht verstanden - doch andererseits, was hatten sie überhaupt
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