10 - Operation Rainbow
daß der Hengst ihn nicht biß, dachte Popov, Pferde reagierten wohl ganz anders als Hunde. Nach getaner Arbeit gab er ihm einen kräftigen Klaps aufs Hinterteil, und der Hengst galoppierte los. Fünfzig Meter weiter blieb er stehen und begann zu grasen.
Popov stieg wieder auf seine Stute und lenkte Buttermilk schnalzend Richtung Norden. Ein Blick zurück zum Wohnturm zeigte ihm, daß dort die Fenster eins nach dem anderen hell wurden. Würde man Hunnicutt vermissen? So rasch nicht, nahm er an, während er sich der Schnellstraße näherte. Im Westen sollte eine kleine Ansiedlung liegen, aber er glaubte, an der Bushaltestelle größere Chancen zu haben; vielleicht nahm ihn ja auch ein Fernfahrer mit. Was er danach machen würde, wußte er noch nicht, aber hier mußte er verschwinden, so rasch und so weit wie irgend möglich. Popov war kein gottesfürchtiger Mensch. Seine Erziehung und Ausbildung hatte ihm die religiöse Sphäre verwehrt, und der Name Gottes kam bei ihm allenfalls in Flüchen vor. Doch heute hatte er etwas dazugelernt. Ob es einen Gott gab, würde er wohl nie wissen, aber der Satan existierte - und er selbst hatte für ihn gearbeitet. Das Entsetzen darüber war mit nichts aus seiner früheren Zeit beim KGB vergleichbar.
36 - EILFLÜGE
Die Angst, entdeckt zu werden, übertraf noch das Entsetzen. Angst hatte Popov in seiner Zeit als Agent im Außendienst nie kennengelernt. Natürlich gab es brenzlige Situationen, vor allem zu Beginn seiner Laufbahn, aber er hatte rasch gelernt, seinen Fähigkeiten zu vertrauen. Und seine Intelligenz hatte ihn seit jeher vor emotionalen Überreaktionen geschützt wie ein wärmendes Tuch - bis heute jedenfalls.
Plötzlich fand er sich in feindlichem Gelände wieder. Nicht nur auf ausländischem Boden, sondern weil er ein Stadtmensch war. In den großen Metropolen konnte er im Handumdrehen untertauchen, so komplett und unauffindbar, daß kaum eine Polizeimacht der Welt ihn aufgespürt hätte. Doch hier gab es weit und breit keine Stadt. Kaum hundert Meter von der Haltestelle stieg er vom Pferd und nahm Buttermilk Sattel und Zaumzeug ab; ein gesatteltes, reiterloses Pferd, nahm er an, würde mehr auffallen als eins, das ohne Sattel alleine graste. Hier in der Gegend hatten viele ein Pferd auf der Weide stehen. Anschließend mußte er sich durch den Stacheldraht zwängen und zur Haltestelle laufen. Das Häuschen war leer; kein Fahrplan hing an den nackten, weißgetünchten Wänden. Es war ein schlichter Bau aus gegossenem Beton, mit massivem Dach gegen die schweren Schneemassen im Winter. Wahrscheinlich hielt es auch den Tornados stand, die hier gelegentlich vorkommen sollten. Die Sitzbank war ebenfalls aus Beton, und er ließ sich kurz darauf nieder, um das Gliederzittern in den Griff zu bekommen. Noch nie hatte er solche Panik verspürt. Wenn diese Leute Millionen und Abermillionen ihrer Zeitgenossen einen elenden Tod zugedacht hatten, würden sie auch mit einem einzelnen kurzen Prozeß machen. Er mußte hier weg.
Zehn Minuten nach seiner Ankunft beim Wartehäuschen blickte er auf die Uhr und fragte sich, ob um diese Zeit überhaupt noch Busse verkehrten. Wenn nicht, gab es immer noch die Möglichkeit, den Daumen hochzurecken und einen LKW anzuhalten. Vielleicht...
Er lief auf den Seitenstreifen und hob die Hand. Die meisten Wagen rasten mit 130 Stundenkilometern vorüber und hatten kaum Gelegenheit, seine Geste in der Dunkelheit zu sehen, geschweige denn rechtzeitig abzubremsen. Erst eine Viertelstunde später näherte sich ein cremefarbener Ford-Kleinlaster, der rechts heranfuhr und hielt.
»Wo woll'n Sie denn hin, mein Lieber?« wollte der Fahrer wissen. Er war bäurisch gekleidet, vielleicht sechzig Jahre alt, Gesicht und Hals von der Arbeit im Freien sonnenverbrannt.
»Zum Flughafen in der Stadt. Könnten Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen?« fragte Dmitrij und stieg ein. Der Fahrer trug keinen Sicherheitsgurt, was gegen die Vorschriften verstieß, ebenso wie kaltblütiger Mord - und schon deshalb mußte sich Popov aus dem Staub machen.
»Klar, ich muß da sowieso raus. Wie heißen Sie?«
»Joe - Joseph«, stammelte Popov.
»Schön. Ich bin Pete - aber Sie sind nicht von hier, wie?«
»Ursprünglich nicht. - Ich komme aus England«, ergänzte Dmitrij rasch und nahm den entsprechenden Akzent an.
»Ach ja? Und was führt Sie her?«
»Geschäfte.«
»Was denn für welche?« wollte Pete wissen.
»Ich bin Unternehmensberater, wissen Sie! So
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