10 - Operation Rainbow
Dreiviertelstunde Aufenthalt, dann auf der 737 nach New York in der Ersten Klasse, wo die Drinks umsonst waren. Hoffentlich saß er allein, damit ihn niemand anquatschen konnte. Popov brauchte Ruhe zum Nachdenken. Er mußte sehr, sehr gründlich nachdenken, und rasch, aber doch nicht überstürzt handeln.
***
Clark schreckte aus einem Traum hoch. Es war drei Uhr früh in Hereford, und der Eindruck des Traums schwand aus seinem Bewußtsein wie ein flüchtiger Nebel, formlos und nicht mit Händen zu greifen. Es war ein unschöner Alptraum gewesen, das wußte er noch, immerhin war er schweißgebadet daraus erwacht, was selbst bei gefährlichen Einsätzen kaum vorgekommen war. Ohne zu wissen weshalb, spürte er, wie ihm die Hände zitterten. Schließlich beruhigte er sich, drehte sich auf die andere Seite und schloß die Augen. Morgen war die Budgetkonferenz, und vor nichts graute ihm mehr als davor. Seine Tätigkeit als Rainbow-Befehlshaber hatte ihn zur Kleinkrämerei verdammt. Das war vermutlich auch der Grund für den Alptraum gewesen, dachte er und vergrub den Kopf tiefer ins Kissen: In endlose Diskussionen mit Buchhaltern verstrickt zu sein, die ihn detailliert ausfragten, woher das Geld kam und wohin es geflossen war...
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Die Landung in Kansas City war sanft, und der Saab-Flieger hielt gleich vor dem Terminal, wo dann die Propeller ausliefen. Um ihr Kreisen zu stoppen, während die Passagiere von Bord gingen, kletterte ein Mann vom Bodenpersonal hinauf und warf ein Lasso über eine Propellerspitze. Popov blickte zur Uhr. Sie waren ein paar Minuten zu früh dran. Er trat in die frische Nachtluft hinaus und ging in den Terminal. Wenige Meter hinter dem Ausgang zu A-34, wo sein Flug starten würde - wieder blickte er zur Uhr - fand er wieder eine Bar. Hier war sogar Rauchen erlaubt, sehr ungewöhnlich für US-Flughäfen. Nikotinqualm schlug ihm entgegen, der ihn an die Trud -Zigaretten seiner Jugend erinnerte; fast hätte er einen der Gäste angeschnorrt, doch konnte er sich gerade noch zusammenreißen. Statt dessen trank er seinen nächsten doppelten Wodka an einem entlegenen Ecktisch, starrte die Wand an und gab sich möglichst unauffällig. Niemand sollte sich erinnern, daß er hiergewesen war. Eine halbe Stunde später wurde sein Flug aufgerufen. Er hinterließ einen Zehndollarschein auf dem Tisch und entfernte sich, die leeren Satteltaschen noch immer in der Hand. Warum schleppte er sie eigentlich mit sich? Andererseits war ein Fluggast ohne jedes Gepäck ungewöhnlich, weshalb er sie behielt undim Gepäcknetz über dem Sitz deponierte. Das Angenehmste an diesem Flug war, daß der 2-D-Platz nicht belegt war; Popov setzte sich dorthin und starrte aus dem Fenster, damit die Stewardeß sich möglichst sein Gesicht nicht merken konnte. Den angebotenen Drink lehnte er ab; fürs erste hatte er genug intus, außerdem mußte er jetzt klaren Kopf bewahren. Das bisherige Quantum reichte aus, seine Nerven zu beruhigen, und mehr brauchte er im Augenblick nicht.
Was genau hatte er heute erfahren? Wie paßte es zu all dem anderen, was er in der Wohnanlage draußen in West-Kansas gesehen hatte? Die Antwort auf die zweite Frage war einfacher. Die Erklärungen Hunnicutts entsprachen allem, was er bisher von dem Projekt wußte; sie paßten wie ein Schlußstein ins Puzzle, paßten zu den Räumen, der Lage, der Inneneinrichtung, auch den Zeitschriften auf dem Nachttisch, den Videogeräten neben den Fernsehern, den Gesprächsfetzen, denen er im Korridor oder in der Cafeteria unwillkürlich gelauscht hatte. Kein Zweifel - diese Irren wollten die Welt auf dem Altar ihres Druidenglaubens opfern. Aber wie in aller Welt sollte er andere davon überzeugen, daß es stimmte? Und was hatte er eigentlich an Beweisen in der Hand? Und zu wem sollte er überhaupt gehen mit seinem Wissen? Es mußte jemand sein, der ihm glaubte und zugleich dagegen vorgehen konnte. Aber wer? Zusätzlich hatte er jetzt noch Fester Hunnicutt auf dem Gewissen. Dabei hatte er keine andere Wahl gehabt, sonst wäre er nie aus dem Projektgelände entkommen, jedenfalls nicht unbemerkt. Aber jetzt würde man ihn mit vollem Recht des Mordes bezichtigen; man würde ihm die Polente auf den Hals hetzen, und wie sollte er der erklären, daß sie stattdessen gut daran täten, den Anschlag zu verhindern? Kein Polizist der Welt würde ihm diese Geschichte abnehmen. Sie war viel zu grotesk, um einem normal funktionierenden Verstand einzuleuchten. Und die Druiden
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