10 - Operation Rainbow
er andere in seiner Funktion als Geheimagent des KGB stets beneidet hatte. Damals hatte er sich oft gefragt, wie sein Land sich überhaupt mit anderen Nationen messen konnte, die Milliarden für Luxus verschwendeten, zusätzlich zu den Milliarden, die für Rüstung bereitstanden, und beides von viel besserer Qualität? Weshalb sonst entsandte man ihn, die technischen Geheimnisse des Westens auszuspionieren? Denn das war ja seine Aufgabe gewesen in den letzten paar Jahren des Kalten Kriegs, von dem er längst gewußt hatte, wer ihn gewinnen und wer verlieren würde.
Doch klein Beigeben war seine Sache nicht. Für eine kleine Rente oder einen gewöhnlichen Job im Westen hätte er sein Land nicht ohne weiteres verraten. Freiheit? Die wurde ja im Westen angeblich als höchstes Gut verehrt. Aber was nutzte einem die Reisefreiheit, wenn man keinen vorzeigbaren fahrbaren Untersatz sein eigen nannte? Oder ein bequemes Hotel zum Übernachten? Oder Geld, das man brauchte, zum Essen und Trinken, um sein Leben zu genießen? Nein, auf seiner ersten Westreise damals, als »illegaler« Geheimagent ohne Diplomatenpaß in London, hatte er die Nobelkarossen bewundert und die bequemen Taxis, die man nahm, wenn der Fußweg zu beschwerlich wurde. Sein eigenes Fortbewegungsmittel war stets die U-Bahn gewesen, allgemein zugänglich, anonym und billig. Der Kapitalismus hatte nun mal den entscheidenden Vorteil, Menschen zu begünstigen, die geschäftlich Erfolg hatten oder die richtigen Eltern. Sie wurden mit Luxus, Bequemlichkeit und einem Lebensstil belohnt, den sich selbst die Zaren kaum vorstellen konnten. Und das war es, wonach Popov gierte und was ihm, damals wenigstens, unerreichbar schien. Ein teurer, schneller Wagen und ein schickes, geräumiges Apartment, mit guten Restaurants in der Nähe, kostspieliger Urlaub in Ländern mit sauberen Stranden und blauem Himmel, Frauen, die sich vom Geld verlocken ließen... Was bei Henry Ford geklappt hatte, konnte auch ihm gelingen. Aber was nutzte ihm die Macht, wenn er keinen Gebrauch von ihr machte?
Jetzt konnte Popov von sich sagen, daß er seinem Ziel näher gekommen war denn je. Er brauchte nur noch ein paar solcher Aufträge wie in Bern. Wenn sein Brötchengeber bereit war, soviel an Idioten zu verschwenden: Idioten ließen sich schnell um ihr Geld erleichtern, das war im Westen ja sprichwörtlich bekannt. Und zu denen gehörte Dmitrij Arkadejewitsch nicht. Befriedigt grinsend hob er die Fernbedienung und stellte den Fernseher ab. Morgen würde er sich wecken lassen, frühstücken, ein Bankkonto einrichten und anschließend das Taxi zum Swissair-Flug nach New York nehmen. Erste Klasse, versteht sich.
***
»Zufrieden, Al?« fragte Clark bei einem Glas Dunkelbier. Sie hatten sich mit ihren Getränken in die hinterste Ecke verzogen.
»Keine Einwände. Dieser Chavez hat meine Erwartungen nicht enttäuscht. Price die Führung des Einsatzes zu überlassen, war sehr gescheit von ihm. Läßt sich nicht vom Ehrgeiz leiten, das gefällt mir bei jungen Offizieren. Sein Zeitplan hat gestimmt; aus dem Grundriß des Gebäudes hat er die richtigen Schlüsse gezogen. Jeder Schuß ein Treffer. Wird's noch weit bringen, der Junge. Sein Team auch. Bin froh, daß der erste Einsatz draußen keine Komplikationen mit sich brachte. Dieser Model war ja auch nicht gerade eine Leuchte seines Fachs.«
»Unberechenbar und gewalttätig.«
Stanley nickte. »Stimmt schon. Das waren die deutschen Terroristen meistens. Über den hier wird das BKA drei Kreuze machen.«
»Was müssen wir verbessern?«
»Dr. Bellow hat recht. Wir brauchen mehr und bessere Übersetzer, wenn er die Verhandlungen führen soll. Gleich morgen kümmere ich mich darum. Century House wird uns brauchbare Leute vermitteln. Ach ja, und dieser Noonan...«
»Eine echte Entdeckung. Als Ingenieur beim FBI gewesen, technischer Assistent in der Spezialeinheit für Geiselrettung. Zuverlässiger Special Agent. Schießen kann er auch, und er hat einige Nachforschungen durchgerührt«, führte Clark aus. »Kann uns noch gute Dienste leisten.«
»Diese videogestützte Überwachungsanlage war sehr beeindruckend. Ich habe mir die Bänder vorhin angeschaut. Alles in allem hat sich Team-2 erstklassig bewährt, John.« Stanley prostete ihm zu mit seinem Glas John Courage .
»Erfreulich, wenn alles klappt, Al.«
»Bis zum nächsten Mal.«
Er atmete tief durch. »Genau.« Größtenteils war der Lorbeer, wie Clark sehr wohl wußte, den Briten zu
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