10 - Operation Rainbow
sie sich für ein Kind entscheiden? Schwer zu sagen. Ich werde darüber nachdenken.«
»Über diese Leute muß ich mehr wissen. Was sie denken, wie sie leben und so weiter.«
Bellow lächelte wieder, erhob sich vom Stuhl und trat vor den Bücherschrank. Er nahm eins seiner eigenen Bücher und warf es Chavez zu, der es aufschnappte. »Für den Anfang ist es nicht schlecht. Beruht auf einer Vorlesung, die ich an der FBI-Akademie hielt. Daraufhin ließ mich vor ein paar Jahren der SAS als Berater herkommen. Wahrscheinlich habe ich es dieser Studie zu verdanken, daß ich hier bin!«
»Danke, Doc.« Chavez klemmte sich das Buch unter den Arm und verließ das Büro. Terror im Kopf: Was in Tätern vorgeht lautete der Titel. Konnte nicht schaden, mehr davon zu wissen. Trotzdem war seiner Meinung nach das Beste, was im Kopf von Terroristen aufgehoben war, ein Zehn-Millimeter-Hohlmantelgeschoß.
***
Popov konnte ihnen keine Telefonnummer geben. Das wäre ein schwerer, unprofessioneller Mißgriff gewesen. Selbst ein Handy, dessen Eigentümer sorgfältig getarnt war, gab den Behörden etwas in die Hand, eine elektronische Spur, die verfolgt werden konnte. Für niemanden wäre das peinlicher gewesen als für ihn. Und so rief er alle paar Tage unter ihrer Nummer an. Nie wußten sie, woher, aber es gab Mittel und Wege, ein Ferngespräch durch zahlreiche Instrumente zu filtern.
»Ich habe das Geld. Seid ihr so weit?«
»Hans ist jetzt drüben, um alles auszubaldowern«, gab Petra zurück. »In achtundvierzig Stunden ist alles fertig. Und bei Ihnen?«
»Es kann sofort losgehen. Ich rufe in zwei Tagen wieder an«, erklärte er und legte auf. Er verließ die Telefonzelle am Charles-de-Gaulle-Flughafen und schlenderte zum Taxistand, den Diplomatenkoffer mit hunderten gebündelter Banknoten in der Hand. D-Mark, was ihm Verdruß bereitet hatte. Dieselbe Summe in Büro wäre viel leichter zu bekommen als in den diversen Nationalwährungen.
7 - FINANZIERUNG
In Europa ist es nicht üblich, Bankgeschäfte zuhause abzuwickeln. Bei Ostermann war das anders. Er bewohnte ein großes, ehemals gräfliches Schloß dreißig Kilometer hinter Wien. Erwin Ostermann liebte sein Schloß, und es tat seinem Ansehen in der Welt der Hochfinanz keinen Abbruch: sechstausend Quadratmeter auf drei Stockwerke verteilt, tausend Hektar Land, von dem ein Großteil an einem steilen Berghang lag, auf dem er seine eigene Skipiste anlegen ließ. Im Sommer erlaubte er den umwohnenden Bauern, dort Ziegen und Schafe zu weiden. Das hatten wohl schon die zum Landgut gehörenden Leibeigenen getan, u m das Gras in vernünftiger Höhe zu halten. Heute war alles viel demokratischer: der neue »Herr Graf« konnte die ökologische Maßnahme sogar steuermindernd geltend machen, was unter der regierenden Sozialdemokratie auch bitter nötig war. Außerdem sah es schöner aus.
Sein privater Wagenpark bestand aus zwei Mercedeslimousinen sowie einem Porsche, mit dem er, wenn ihn der Leichtsinn überkam, ins nahegelegene Dorf kutschierte, um im hervorragenden Gasthof essen zu gehen. Er war ein stattlicher Mann von einem Meter sechsundachtzig, mit vollem grauem Haar und von schlanker, sportlicher Gestalt. Auf dem Rücken seiner Araberpferde machte er eine gute Figur, ebenso bei geschäftlichen Konferenzen in seinen Anzügen, die er aus Italien oder der Savile Row in London kommen ließ. Sein Büro auf der zweiten Etage war die geräumige ehemalige Bibliothek des Erbauers und seiner acht Nachfolger gewesen. Heute war sie mit Computern vollgestellt, deren Monitore das Geschehen auf den internationalen Finanzmärkten zeigten.
Nach einem leichten Frühstück pflegte er nach oben ins Büro zu gehen, wo drei Mitarbeiter - zwei Frauen und ein Mann - ihn abwechselnd mit Kaffee, Knabberzeug und Informationen versorgten. Der Saal war groß und vornehm genug, um bis zu zwanzigköpfige Besuchergruppen zu empfangen. An walnußgetäfelten Wänden ragten Regale voller Bücher empor, die Ostermann mit dem Schloß erworben hatte, ohne je einen Blick hineinzuwerfen. Er las lieber den Börsenbericht als schöne Literatur, und in seltenen Mußestunden ließ er Hollywoodfilme in seiner privaten Vorführanlage im ehemaligen, eigens umgebauten Weinkeller laufen. Alles in allem war er ein Mann, der in angenehmer Umgebung ein sorgenfreies Privatleben führte. Wenn er sich an den Schreibtisch setzte, fand er jeden Tag die Liste der zu erwartenden Besucher vor. Diesmal drei Bankiers und zwei
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