10 - Operation Rainbow
Verbrechern ist nichts los.«
Bennetts wichtigste Informationsquelle zum Terrorismus waren die Fernschreiber verschiedener europäischer Nachrichtenagenturen. Die Erfahrung lehrte, daß jemand, der sich für kriminelle Aktivitäten interessiert, von ihnen weit schneller informiert wurde als von Behörden, die ihre Meldungen über Sicherheitsfax durch die amerikanischen und britischen Botschaften Europas verbreiten ließen. Wenn sich hier nichts ergab, ging Bennett seine Computerliste bekannter Terroristen durch, blätterte in den Fotos und Fahndungsakten und rekapitulierte, was man von diesen Leuten wußte (im allgemeinen wenig), und wessen sie verdächtig waren (selten etwas Konkretes).
»Und was ist das da? Wer soll das sein?« Ding deutete auf den Bildschirm.
»Unser neues Spielzeug vom FBI. Eine Software, die Fahndungsfotos altern läßt. Sie heißt Petra Dortmund. Wir haben nur zwei Bilder von ihr, beide fast fünfzehn Jahre alt. Ich brauche sie nur entsprechend älter zu machen und die Haarfarbe zu verändern. Bei Frauen gibt's wenigstens keine Barte.« Bennett schnalzte mit der Zunge. »Und normalerweise sind sie zu eitel, sich fett zu fressen wie unser Liebling Carlos. Hier zum Beispiel, achte mal auf die Augen!«
»Keine von der Sorte, die ich in der Kneipe abschleppen würde«, stellte Chavez fest.
»Die kriegst du sowieso nicht rum«, meldete sich Clark von hinten. »Wirkt sehr beeindruckend, Sam.«
»Ja, Sir. Hab ich erst heute früh installiert. Noonan hat mir's aus der Abteilung für Abwehrtechnik im Hauptquartier besorgt. Eine Erfindung, um Kidnapping-Opfer noch Jahre nach ihrem Verschwinden zu identifizieren. Hat sich als brauchbar erwiesen. Dann fiel jemandem ein, wenn's bei Kindern funktioniert, warum nicht auch bei Erwachsenen und Gaunern? Anfang des Jahres wurde einer der meistgesuchten Bankräuber damit erwischt. So jedenfalls sieht Fräulein Dortmund heute aus.«
»Wie heißt denn ihr Kompagnon?«
»Hans Fürchtner.« Bennett spielte mit der Computermaus, und dessen Foto tauchte auf. »Herrgott, dessen Foto stammt wohl noch aus der Schülerzeitung!« Dann überflog er den beigefügten Text. »Soso, trinkt gern Bier - na, legen wir noch fünfzehn Pfund zu.« Binnen Sekunden war das Foto wie verwandelt. »Schnurrbart... Bart...« Schon gab es vier verschiedene Bilder des Flüchtigen.
»Die beiden pass en ja großartig zueinander«, brummte Chavez, der sich an die Fahndungsakte erinnerte. »Vorausgesetzt, sie sind noch ein Paar.« Er kam ins Grübeln. Dann erhob sich Chavez und stattete Dr. Bellows Büro einen Besuch ab.
»Hallo, Doc!«
Bellow blickte von sein em Computer auf. »Guten Morgen, Ding. Was kann ich für Sie tun?«
»Wir haben uns gerade die Fotos eines Terroristenpärchens angeschaut, Petra Dortmund und Hans Fürchtner. Da fiel mir etwas ein.«
»Nur zu«, versetzte Bellow.
»Muß man damit rechnen, daß Leute wie die zusammenbleiben?«
Bellow blinzelte ein wenig, dann lehnte er sich im Drehstuhl zurück. »Die Frage ist nicht dumm. Diese zwei... Damals hab ich das Gutachten für ihre Fahndungsakte verfaßt. Mutmaßlich sind sie noch ein Paar, ja. Sie vertreten dieselbe politische Ideologie, das schweißt zusammen. Ihre Glaubenssätze brachten sie anfangs zueinander. Als sie zur Tat geschritten sind, haben sie sich, in psychologischer Sicht, ewige Treue geschworen. Ich erinnere mich, daß sie unter anderem verdächtig sind, einen Soldaten entführt und getötet zu haben. Solche Gewaltakte sorgen für eine enge zwischenmenschliche Bindung.«
»Aber die meisten von ihnen sind doch, wie Sie sagen, Soziopathen?« wandte Ding ein. »Und Soziopathen neigen nicht dazu...«
»Sie haben meine Bücher gelesen?« Bellow mußte lächeln.
»Haben Sie je davon gehört, daß zwei Menschen, die heiraten, eins werden?«
»Schon. Und?«
»In einem Fall wie diesem trifft das zu. Sie sind Soziopathen, aber die Ideologie verleiht ihrer Verirrung ein Ethos - das ist der entscheidende Faktor. Sie werden eins, indem sie ihre Weltanschauung teilen, und ihre soziopathischen Tendenzen miteinander verschmelzen. Bei diesen beiden würde ich von einer einigermaßen stabilen Ehe sprechen. - Würde mich nicht mal wundern, wenn sie tatsächlich getraut sind, wenn auch vielleicht nicht kirchlich«, setzte er stirnrunzelnd hinzu.
»Geordnete Verhältnisse. Kinder?«
Bellow nickte. »Gut möglich. Abtreibung ist in Deutschland erst seit kurzem freigegeben - wenigstens im Westen, glaube ich. Db
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