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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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war nirgends zu sehen.
    Rasch schoben sie uns durch die Menge, die widerwillig Platz machte. Ich konnte sehen, daß sie das Feuer genossen. Fast, als wäre es eine Befreiung für sie.
    Wir wurden auf eine Karre gehoben während ein Traktor uns in die Ortsmitte brachte. Dort stieß man uns in das Gasthaus, das ich kannte. Einige Frauen saßen mit starren Gesichtern an einem Tisch. Sie blickten uns an, als wir an ihnen vorüber gestoßen wurden. Dann stolperten wir eine finstere Kellertreppe hinab.
    „Macht Licht!“ rief jemand. Gleich darauf gab eine düstere Glühbirne im Hintergrund spärliches Licht. Einer sperrte eine Tür aus dicken Holzbalken auf. Wir taumelten in einen kleinen, dunklen Raum.
    Die Tür wurde knarrend geschlossen. Ein Schlüssel drehte sich zweimal herum. Wir standen keuchend in der Finsternis. Klara drängte sich an mich. Wir standen einen Augenblick atemlos und lauschten auf die Geräusche des Hauses.
    „Sieht so aus, als wären wir allein hier“, murmelte ich.
    „Nein“, widersprach Klara. „Nein, Hans. Irgend jemand lauert…“
    Ich wartete, daß sie fortfuhr. Aber vielleicht hatte sie sich auch geirrt. Vielleicht hatte sie auch nur Angst.
    Ich untersuchte die Tür, mußte aber bald erkennen, daß ohne Schlüssel kein Weg nach draußen führte. Fluchend gab ich auf.
     

     
    „Du bist wieder frei von ihr, nicht wahr?“ fragte ich Klara nach einer Weile.
    „Ich bin nicht sicher, Hans. Ich fürchte mich ein wenig.“
    „Ist es ihr gegen deinen Willen gelungen?“ entfuhr es mir.
    „Ich fürchte, ja.“ Sie ergriff meinen Arm und umklammerte ihn fast schmerzhaft. Ich tastete in der Finsternis nach ihr und zog sie in die Arme. „Ich versuchte gar nicht, sie abzuwehren, als sie sich an mich drängte. Sie war so voll Furcht und Triumph. Aber ich bin nicht sicher, daß ich sie abwehren hätte können.“
    „Wie ist es geschehen?“ fragte ich.
    „Ich weiß es nicht genau. Ich ging hinter Herrn Schwaber in den Keller. Ich sah, daß er Angst hatte. Wir fanden ein Fenster, vor dem alles dunkel aussah. Schwaber riß es auf. Er sagte etwas wie: ‚Warten Sie, ich sehe nach.’ Dann kletterte er nach draußen. Ich spürte wie etwas auf mich zukam, nicht körperlich, sondern wie immer, wenn ich bereit bin. Aber diesmal war ich nicht bereit. Und es war so stark. Ich glaube, ich rief nach dir. Dann stieg ich die Treppen hoch, aber da war ich bereits Anna Bergen. Dann habe ich keine Erinnerung mehr, außer an eine schreckliche Kälte. Sie verließ mich, als wir auf dem Karren waren. Ich erinnere mich an nichts, nur an eine schreckliche Furcht vor Feuer.“
    Sie klammerte sich an mich, und ich redete beruhigend auf sie ein. „Nach allem, was Julia erzählt hat, ist der Haß ihrer Mutter auf den Tod des Kindes zurückzuführen. Vermutlich wurde es ermordet, und sie wußte, warum und wer es tat. Ihr Mann könnte daran beteiligt gewesen sein, und dieser Onkel Paul, und sicher noch andere, sonst wäre sie vielleicht schon zur Ruhe gekommen. Wir hätten ihr die Ruhe bringen können, wenn ihr genügend Zeit geblieben wäre, sich uns verständlich zu machen. Auch mir wäre wohler, wenn ich wüßte, was hier eigentlich vorgeht. Aber nun ist es zu spät. Sie haben das Haus niedergebrannt und alle Bande zerrissen. Vielleicht könnten die Ruinen sie halten, aber ich glaube, daß die Gehrdorfer sehr gründlich sein werden.“
    „Ja“, sagte sie. „Sie fürchten die Bergens. Ich möchte wissen warum.“
    „Die meisten Menschen fürchten die Toten“, erwiderte ich. „Daß sie aus ihren Gräbern steigen könnten, ist ein menschlicher Alptraum. Daß sie auf irgendeine Art zurückkehren könnten. Für manche mag der Gedanke, daß der Tod endgültig ist, tröstlich sein. Aber ist er es … endgültig, meine ich?“
    „Auf eine Weise“, flüsterte Klara.
    Eine Weile lauschten wir in die Dunkelheit. Plötzlich legte sie die Arme um mich und küßte mich. Ich war zu erstaunt, um aktiv dabei zu wirken. Es war nicht direkt leidenschaftlich, aber hingebungsvoll.
    Es gab nichts, womit wir die Zeit besser hätten verbringen können. So hielt ich still.
    Es war ungewöhnlich, daß sie sich von Gefühlen leiten ließ. Es war das erste Mal in unserem freundschaftlichen und beruflichen Zusammenleben, daß sie mehr als einen flüchtigen Kuß wagte.
    Aber schließlich faßte ich mir doch ein Herz und begann ihre Zärtlichkeiten zu erwidern – vorsichtig, da ich fürchtete, sie könnte in ihre Gefühlsleere

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