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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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mit aller Kraft herum und zog die beiden mit zu Boden. Während sie stürzten, war ich bereits wieder auf den Beinen. Die Menge konnte nicht sehen, was hinter dem Altar geschah, aber der Raum war plötzlich von Schreien erfüllt, als ich an der Seite des Tisches neben Gaisser erschien.
    Ich hatte meine Hände um den Hals des Überraschten. Ein Ruf Schwabers warnte mich, aber nicht rechtzeitig genug.
    Ich sah einen dunklen Schatten über mir. Jemand oder etwas kam vom Altar herab. Schützend drehte ich Gaisser vor mich. Etwas schlug mit großer Wucht auf ihn und brachte uns beide zu Fall. Meine Augen waren plötzlich voll warmer Flüssigkeit. Ich sah rötliche Nebel. Schleicher von Blut tanzten vor meinen Augen, und Gaisser schrie.
    Der ganze Raum erbebte vor Schreien. Als die Schleier von meinen Augen schwanden, sah ich sie von allen Seiten auf mich zukommen.
    Ich versuchte zu rufen, ihnen klarzumachen, daß ich Gaisser erwürgen würde, wenn sie mir zu nahe kamen, aber in dem Rasen der Menge war keines meiner Worte zu verstehen. Das letzte, das ich erkannte, war, daß ich voll Blut war, und daß von Gaissers Gesicht frisches Blut über meine Arme strömte.
    Dann schlugen Fäuste auf mich ein, und ich versuchte vergeblich, Gaisser schützend über mich zu ziehen. Sie rissen meine Hände von seinem Hals. Schläge prasselten auf meinen Kopf und löschten in wenigen Sekunden alles aus.
     

     
    Ein stechender Schmerz im Kopf brachte mich wieder ins Bewußtsein. Jemand schlug mir ins Gesicht. Ich schrie auf. Nicht der Schlag schmerzte, sondern der ganze Schädel fühlte sich an, als hätte jemand einen Degen durch gebohrt.
    „Genug“, sagte eine männliche Stimme. „Er ist schon wieder da. Halt ihn fest. Wie geht es Leo?“
    Arme drückten mich nieder. Ich öffnete vorsichtig die Augen. Ich befand mich in einer kleinen Kammer. Der Altarraum konnte nicht weit sein, denn das gedämpfte Dröhnen vieler aufgeregter Stimmen war deutlich hörbar.
    Viel Zeit konnte nicht verstrichen sein. Ich drehte den Kopf leicht. Es tat verdammt weh.
    „Sieht nicht gut aus“, erwiderte jemand.
    „Stirbt er?“
    „Das liegt nicht mehr in unserer Hand.“
    Ich sah eine leblose Gestalt nicht weit von mir am Boden liegen. Zwei Männer beugten sich über sie. Einige andere standen um uns herum.
    Der Reglose war Gaisser. Er mußte eine Verletzung am Kopf haben. Der Schlag war wohl für mich bestimmt gewesen.
    „Wenn ihr mich fragt“, meinte einer, den ich als Egger wiedererkannte, „er sollte in ein Krankenhaus und operiert werden.“
    „Du bist verrückt, Konrad“, fuhr einer der beiden auf, die sich über Gaisser gebeugt hatten. „Über Leben und Tod entscheidet nur er.“
    Er betonte das „er“ mit seltsamer Ehrfurcht.
    „So wird er sterben“, stellte Egger verärgert fest.
    „So ist es sein Wille“, kam gleichmütig die Antwort.
    „Seid ihr blinde Narren“, fuhr Egger auf. „Er gibt uns nur das Leben, aber er heilt nicht unsere Wunden. Nur ein guter Arzt, und ein verdammt guter, kann aus diesen zerschmetterten Knochen noch etwas machen. Es ist wie mit Kelling letztes Jahr, habt ihr das schon vergessen? Den haben die gebrochenen Rippen inwendig aufgespießt. Soll auch Leo so jämmerlich zugrunde gehen?“
    „Das ist der Preis, den wir bezahlen müssen, Konrad. Hast du das in all den Jahren noch nicht begriffen?
    Wir haben ein Geheimnis zu hüten, oder es ist das Ende. Oder glaubst du, die würden nicht merken, was mit ihm los ist, wenn sie erst einmal an ihm herumbasteln? Dann haben wir die halbe Welt auf dem Hals, und es ist aus. Nein. Wir haben teuer bezahlt für das, was wir sind und was wir haben. Wenn wir diesen Preis nicht bezahlen, war alles umsonst.“
    Längeres Schweigen folgte diesen Worten, das schließlich von einem langgezogenen Stöhnen Gaissers unterbrochen wurde.
    „Du bist Arzt. Kannst du ihm nicht helfen?“
    Der andere schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Chirurg. Ich kann nichts für ihn tun, außer es ihm leichter zu machen.“
    Das mußte der Dorfarzt, Dr. Wolf sein, von dem Julia gesprochen hatte. Ich stemmte mich hoch, um ihn mir genau anzusehen, aber mein Bewacher drückte mich grob nieder. „He, Leo. Wir sollten uns um den kümmern. Der wird verdammt lebendig!“
    Dr. Wolf kam auf mich zu, und zwei weitere, die mich festhielten. Er war ein dunkelhaariger Mann, Mitte Vierzig, mit müden, gleichgültigen Augen und einem schmalen, harten Mund. Das Gesicht mochte einst anziehend sein – vor

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