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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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über seinen Kopf und sprang vom Altar.
    Nun kam Bewegung in die Männer um uns und die Menge vor dem Altar. Sie stürmten los, und Julias Schreie gingen in den Rufen unter. Mein Blick fiel auf Klara.
    Ihre Züge waren in schrecklichem Triumph verzerrt. Während ich sie noch schaudernd beobachtete, sank sie plötzlich kraftlos zusammen.
    Ich zerrte an meinen Fesseln. Keiner kümmerte sich um uns. Jetzt war der Augenblick, etwas zu tun. Willie mochte kommen, wenn wir alle bereits tot waren. Aber ich hatte keine Kraft mehr. Alles verschwamm wieder vor meinen Augen. Ich konzentrierte mich, fluchte.
    Tumult war um mich. Schatten huschten. Der Lärm wurde zum Tosen, zu einem Geheul hilfloser Wut.
    Denn meine Prophezeiung war eingetroffen: Anna Bergens Macht war noch nicht gebrochen.
    Sie wollte ihr Kind retten – wie schon einmal. Aber diesmal war sie erfolgreicher.
    In mein langsam erstarrendes Bewußtsein sickerte ein Ton, der mich eigentlich mit einem Begeisterungstaumel erfüllen hätte sollen. Aber ich registrierte ihn nur noch mit Erleichterung: Das anhaltende Wimmern einer Sirene. Polizei. Willie.
    Mein letzter Gedanke war: Wie sollten sie uns hier unten finden?
     

     

Ich verlor nicht das Bewußtsein. Wie Kurt starrte ich blicklos hindurch zwischen den Schatten. Es war ein seltsames Gefühl. Ich war vollkommen entspannt und unbeteiligt. Der Lärm war ein fernes Rauschen. Undeutlich spürte ich, daß ich hochgehoben wurde. Dann war Stille. Einelange Zeit drang nichts in mein betäubtes Bewußtsein. Selbst die Frage, ob ich gerettet war, war nicht von Bedeutung.
    Das nächste, das ich wirklich bewußt wahrnahm, und das mich auch wieder interessierte, waren die Gesichter Klaras und Willies. Beide betrachteten mich besorgt, so besorgt, daß ich plötzlich nicht minder besorgt fragte: „Ist was mit mir?“
    Willie grinste. Dann verschwanden beide und kamen mit einem Arzt wieder, der mich prüfend musterte. „Sie können jetzt aufstehen Herr Feller. Das Mittel hat keine Nachwirkungen.“
    Da war ich nicht so sicher. Ich konnte mir nicht vorstellen, aufrecht zu stehen, fast blind und taub, wie ich mich noch fühlte. Aber dann versuchte ich es und stand in der Tat. Und ich wurde von Sekunde zu Sekunde wacher.
    „Wo ist Schwaber?“ war meine erste Frage. „Und Kurt?“
    „Die Polizei beschäftigt sich mit ihnen“, erklärte Willie. „Sie ist verdammt neugierig.“
    „Die Plangauer Polizei?“
    „Ja, Hans.“
    „Wo sind wir hier?“
    „Noch in Gehrdorf. Sogar im selben Haus, nur ein Stockwerk höher. Und ich fürchte, hier werden wir erst eine Weile bleiben.“
    „Um so besser“, sagte ich. „Da ist noch vieles, was mir unklar ist. Ich bin nicht weniger neugierig, als die Herrn von der Polizei.“
    Er entgegnete: „Mir scheint, du hast noch immer nicht genug.“
    „Erraten. Dazu ist es mir zu nah an den Kragen gegangen. Klara, ist alles in Ordnung mit dir?“ Ich nahm sie an der Hand und zog sie an mich.
    Sie lächelte ein wenig unsicher. „Ich glaube schon.“
    „Und Anna?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich spüre sie nicht. Ich weiß nicht, ob sie noch da ist. Ich fühle mich nur so seltsam schwach.“
    Ich nickte. Kein Wunder nach allem, was geschehen war. Sie sah mir an, daß mir warm ums Herz wurde. Anders als jemals zuvor.
    „Irgend etwas hat mir klargemacht“, fuhr sie fort, nachdenklich und bedrückt, „daß wir all die Jahre aneinander vorbei gelebt haben.“
    Aufgeregt nahm ich sie an den Händen. War es möglich, daß diese schreckliche Gefühlsleere ein Ende hatte?
    Aber bevor ich sie fragen konnte, ging die Tür auf. Julia kam herein. Sie lebte also. Ich atmete auf. Als sie auf uns zukam, hob sie den Kopf und lächelte mir zu.
    Ich erschrak zutiefst.
    Es war Julia, ohne Zweifel. Aber wie hatte sie sich verändert, oder besser, wie war sie verändert worden! Ihr Gesicht. Oh, mein Gott, ihr Gesicht!
    Fort gewischt waren die jungen Züge, die ich in Erinnerung hatte. Als hätte ihr jemand eine Maske aufgesetzt, starrte mich ein seltsam gealtertes Gesicht an, in das die Zeit Falten gekerbt hatte. Aber es war nicht das einer Erwachsenen. Es war kindlich und doch alt. Der verzweifelte Blick spiegelte das Unglaubliche wider.
    Die Worte des Mannes vor dem Altar kamen mir in den Sinn: Gib uns das Leben dieses Opfers und nimm die Seele dafür!
    Dann das Schreien, diese unmenschlichen Qualen.
    Konnte es sein, daß Julias Leben übergeflossen war auf den Alten am Altar? Es war absurd. Und doch,

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