100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
ausgiebig gedeiht, gegenwärtige oder zukünftige Bedrohungen sind nicht bekannt«, heißt es wörtlich. Der Bodensee gilt dem IUCN als Beispiel guter »Fischverwaltung«.
Es ist schön zu sehen, dass solche Maßnahmen greifen: Auch im Genfer See lebte nämlich einmal eine Felchenart namens Coregonus fera. Die als Féra oder als Féra du lac léman (Felchen vom Genfer See) bezeichneten Felchen wurden intensiv bejagt, Wasserverschmutzung verringerte ihren Lebensraum zusätzlich. Sie starben in den 1920er Jahren aus. Felchen gelten eben als gute »Bio-Indikatoren«, die viel über den Zustand eines Sees aussagen. Im Genfer See wurde nach dem Verschwinden der Féra jedenfalls die Art Coregonus albula bzw. »kleine Maräne« ausgesetzt. Märkte und Restaurants boten sie weiter als Féra an. Auch dieses Felchen ist ein ganz fantastischer Speisefisch und deshalb so gefragt, dass es in allen größeren Seen des französischen Départements Jura ausgesetzt wurde.
Bodenseefelchen genießen viele Feinschmecker ja gern in der Zubereitung »Müllerin Art«, grenzübergreifend existieren jedoch viele interessante Felchenrezepte, etwa Felchentatar mit jungem Lauch, Felchenfilets in Weißweinsoße, in Nusskruste oder mit hauchfeinen Streifen von Zitrusfrüchten. Würde ich am Genfer See oder Bodensee leben, dann kämen garantiert zweimal in der Woche Felchen auf den Tisch, gelegentlich auch Seesaibling. Bei dem muss man leider ein wenig aufpassen, weil er Schadstoffe wie Polychlorbiphenyl (PCB) und Schwermetalle speichert. Im Genfer See wurde 2008 der Fang solcher Saiblinge wegen hoher PCB-Belastung vorübergehend untersagt. Der »Omble chevalier« verschwand damals von den Speisekarten.
Flusskrebse
Wer brauchte Hummer, wenn ein heimisches, ebenfalls äußerst wohlschmeckendes Scherentier vor der Haustür zu fangen war? Leider eben: »war«. Das war so, bevor wir unsere Flüsse und Bäche bedenkenlos verschmutzt haben. Die Jungs sammelten die nachtaktiven »Saubermänner« – Flusskrebse sind die Gesundheitspolizisten in den Gewässern – mit großem Eifer, die kleinen Mädchen bewunderten sie dafür, und die tapfersten, die keine Angst hatten, von den kleinen, aber kräftigen Scheren gezwickt zu werden, machten sogar mit. So ist es auch in dem alten »heile Welt«-Heimatfilm »Die Heiden von Kummerow« nach dem wunderbaren, und ganz zu Unrecht vergessenen gleichnamigen Roman von Ehm Welk zu sehen: Der Dorfpastor – Paul Dahlke – ist darin hocherfreut über das Eimerchen mit den köstlichen Flussbewohnern.
Das ist lange her. Gibt es sie denn wieder, die heimischen Flusskrebse? Zunächst hieß es, sie seien wegen der allgemeinen Wasserverunreinigung rar geworden oder von einer aus den USA importierten und bei uns ausgesetzten Krebsart verdrängt worden, die es mit dem Sauberkeitsgrad des Wassers nicht so genau nimmt. Da wär mir unser alter heimischer Freund schon lieber …
Diesmal zuerst die gute Nachricht: Der europäische Flusskrebs (Astacus astacus), in Frankreich auch pattes rouges, Rotfüßler genannt, lebt noch. Und jetzt die schlechte Nachricht: Die wenigen Menschen, die wissen, wo man ihn findet, verraten es in der Regel nicht. Tatsächlich ist der Bestand dieses Raubtiers, das mit seinen Zangen Würmer, Muscheln, Fische und gern auch Artgenossen zerreißt, akut bedroht. Doch in Süd- und Mittelschweden, naturbelassenen Flüssen Österreichs sowie in den Vogesen und im französischen Südwesten sind gegenwärtig Flusskrebsbestände verbürgt. Der erwähnte Invasor stammt aus den USA und heißt mit vollem Namen Pacifastacus leniusculus oder Signalkrebs. Als unsere heimischen Krebsbestände ab den 1960er Jahren durch die Krebspest, eine Pilzerkrankung, dezimiert wurden, führte man ihn hierzulande als Ersatz ein. Signalkrebse sind zwar selbst gegen die Krebspest resistent, übertragen sie aber an unsere heimischen Flusskrebse. Noch dazu sind sie ein Fressfeind der lokalen Krebsarten: Er wächst schneller, verfügt über eine höhere Vermehrungsrate und gilt als »aggressiver«. Die Fachliteratur bezeichnet ihn als »biologisch den heimischen Flusskrebsarten überlegen«. Ganz ohne Krebspest verdrängt er spielend die lokalen Arten. Häufig findet man bei uns auch den ebenfalls »eingewanderten« kleinen Kamberkrebs (Orconectes limosus), der es in schmutzigeren Gewässern aushält und sich ebenfalls schneller als sein europäischer Artgenosse vermehrt.
Der Flusskrebs wäre also ein abgeschriebenes Auslaufmodell,
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