100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Galle »kontaminiert« sein. Fugu-Hoden hingegen gelten als Delikatesse. Ein Verkauf an Privatleute ist streng verboten. Manche Fischhandlungen lassen Fugu fachgerecht ausnehmen und exportieren tiefgefrorene Filets, meist in die USA. Erfahrene Köche schneiden nach Abschluss einer zwei- bis dreijährigen Ausbildung und einem schriftlichen sowie praktischen Examen die giftigen Stellen heraus, ohne die Gefäße zu verletzen. Nur ein einziger falscher Ritzer – und der Rest des Fisches ist ungenießbar, weil todbringend giftig.
Dutzende von Essern kann so ein Fugu theoretisch ins Jenseits befördern: Der bekannte Kabuki-Schauspieler Band o - Mitsugor o - VIII soll 1975 mit seinen Freunden in einem Restaurant in Kyoto gewettet haben, er könne das Gift von vier besonders toxischen Fugu-Lebern überstehen. Der Koch wollte dem Prominenten, der in Japan als »lebender Staatsschatz« galt, diesen Wunsch nicht verweigern. Angeblich erzählte Band o - noch, er fühle sich, als würde er schweben. Dann fiel er um und starb sieben qualvolle Stunden später durch Asphyxie. Das nämlich trägt auch zum Fugu-Grusel bei: Die tödliche Portion lähmt zuerst nur – bei vollem Bewusstsein erlebt der »Genießer«, wie ärztliche Hilfe zu spät kommt und Freunde, Verwandte und natürlich der Wirt trauern, während er gleichzeitig realisiert, dass dieses Festmahl sein letztes war.
Das Spiel mit dem letzten Mahl hat selbst in der Poesie seinen Niederschlag gefunden. Etwa mit diesen tragischen Liebesversen:
Ich kann sie heute nicht sehen
Ich muss sie aufgeben
Also werde ich Fugu essen.
So schrieb der japanische Poet Yosa Buson (1716–1783) in einem Senryu, einem haikuähnlichen Gedicht.
Die ganze Fugu-Romantik ist freilich jetzt ihrerseits dem Tod geweiht: Schon seit Jahren gibt es Fugu aus der Fischfarm, der nicht giftiger als Regenbogenforelle ist. Forschungsarbeiten, u. a. von Tamao Noguchia, Osamu Arakawa und Tomohiro Takatani bewiesen, dass Kugelfische einen Großteil des Giftes Tetrodotoxin mit ihrer Nahrung aufnehmen. In Zuchten, bei kontrollierter Wasserqualität und Futter, zogen die Wissenschaftler 5000 Fugus auf. Weder in der Leber noch in den Eierstöcken wurde Gift nachgewiesen.
Anfangs lästerten Japan-Gourmets noch, Farm-Fugu würde nach Makrele schmecken, und die frisst er schließlich auch. Mit der Ankündigung, künftig auch die Leber auf den Markt zu bringen, die früher nur Gourmets angeboten wurde, die den Tod nicht fürchteten oder das Leben verachteten, brachten die Fugu-Farmer die Fischer gegen sich auf. Es hieß, die Kugelfische aus dem Becken würden das Naturprodukt zur Strecke bringen. »Wenn die Fischleber nicht mehr töten kann, ist der Fisch dann noch eine Delikatesse?«, fragte die New York Times im Mai 2008.
Ein Unternehmen namens Optima Foods aus der Präfektur Ehime will jetzt die Zucht optimiert haben. Die Fische leben in eigens hergestelltem Salzwasser und bekommen unter anderem lebende Sandaale zu fressen, was laut Geschäftsführer Toshiyasu Yoshimura zu »einem festeren Stuhl der Tiere und damit leichter zu säubernden Becken« führte. Zudem wären die Zuchtfische mit etwa einem Kilo Lebendgewicht deutlich schwerer als Artgenossen aus freier Natur. Fester Stuhl? Leicht zu säubernde Becken? Redet man so über einen Massenmörder? Der Fugu des Feiglings wird sogar online angeboten ( http://torafugu.in/shop/lp3/ ), auch wenn der Import in Deutschland wohl erst einmal verboten bleibt. Es ist vorbei mit der Liebe auf den letzten Biss.
Gänsestopfleber
Allein die Erwähnung des Wortes Gänseleber – von »stopfen« muss dabei noch gar nicht die Rede sein – löst bei 99 Prozent aller Menschen geradezu hysterische Entrüstung aus. Nur die Reaktion auf das Wort »Froschschenkel« oder Igel in Lehm gebacken ist noch schlimmer! Selbst für in der Wolle gefärbte Frankophile wirft diese esstechnische Köstlichkeit einen moralischen Schatten auf ihr »gelobtes Land«.
Als ich vor vielen, vielen Jahren diese fette Leber zum ersten Mal mit geschlossenen Augen aß, war ich entzückt, um nicht zu sagen wie entrückt, wobei auch der Geschmack der dazugehörigen roten Johannisbeer-Portweinsauce – mit einem Hauch Orangengeschmack, vielleicht sogar mit ein paar Zimt- und Nelkenanklängen – das Ganze zu einem unvergesslichen » Mouthfeeling« machte. Wenn ich eine Katze gewesen wäre, hätte ich ziemlich laut geschnurrt. Dieser Genuss widerfuhr mir – noch völlig unschuldig und ganz ohne
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