100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
16 bis 25 Prozent – Letztere sind begehrter und werden von einem von mir besonders geschätzten Kollegen immer als »die kleinen Fettbomben« bezeichnet. Weil in Fischen wie dem Hering ein verdammt unangenehmes Wurmtier namens Anisakis lauert, das sich auch sehr gern im menschlichen Körper entwickelt, muss das Wirtstier aus Sicherheitsgründen 24 Stunden tiefgefroren werden. Exit Anisakis, jetzt darf aufgetischt werden. Holländer packen den Matjes kurzerhand am Schwanz und lassen ihn Stück für Stück in den Mund gleiten. Wieder einmal hat der gute Dumas recht gehabt: Über diesen Fisch würde mehr Aufhebens gemacht, wenn er teurer und rarer wäre. Denn nur das ist immer noch vielfach die Definition der »Delikatesse« – ein Glück für den Heringsfreund.
Huhn (Bresse-Huhn)
In meiner österreichischen Kindheit war Huhn ein traditionelles Sonntagsessen. Allein die Erinnerung an »Steirisches Backhendl« – also paniert wie ein Wiener Schnitzel – oder an Mamas berühmtes Paprikahuhn, in einer köstlichen Paprika-Rahmsauce, in der man mit höchster Lust Kartoffeln zermantschen durfte, lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Jahrzehntelang kamen diese Köstlichkeiten nicht mehr auf meinen Tisch – zu viel Arbeit für gestresste Berufstätige. Und in meiner neuen bayerischen Heimat kannte man diese typisch österreichischen Köstlichkeiten nicht. Deshalb waren sie auch in Restaurants und Wirtshäusern nicht zu bekommen. Als ich mich wieder fürs Selberkochen zu interessieren begann, weil ich bemerkt hatte, dass es auch außerhalb von Büro und Karriere ein gutes Leben gibt, das durchaus mit lustvoller Ernährung zu tun hat, wurde ich durch einen TV-Bericht geschockt: Er zeigte, wie »übrig gebliebene« Tiefkühlhühnchen um den Globus gekarrt und verschifft werden, immer wieder halb aufgetaut und umgepackt. Widerlich und zum Grausen. Ob die Supermarktkunden wohl wussten, dass man sie dadurch zu Aasfressern degradierte? Das hat mir jede Lust auf Huhn wieder verdorben.
Bis mein Liebster im Internet ein Rezept für ein »Zitronenhuhn« fand. Was für ein herrliches Gericht! Allerdings hieß es da: »Kaufen Sie dafür ein Huhn-Huhn!« Ein Huhn-Huhn? Inzwischen wissen wir, was damit gemeint ist, und bestellen beim Feinkostladen Mais-Hühner. Es wäre gut, ein bisschen mehr über gesundes Hühnerfleisch zu wissen. Ich bin ganz begierig darauf.
O je, die Hühnerzucht! Mit den Hühnern zu Bett gehen will heute ernsthaft keiner mehr. Dann müssten wir nämlich auf weniger als einem Blatt Papier schlafen.
Ich habe auch so meine Zweifel am Geflügelbusiness, seit vor 15 Jahren vor mir mal ein Herr aus dem fernen Amerika den Meeresfluten entstieg und mich, die Badehose zurechtrückend, schwungvoll begrüßte: »Hi. I’m Bill. I’m in the chicken wing business. 80000 bucks a year.« Bill war also im »Hühnerflügelgeschäft«, bekam dafür 80000 Dollar jährlich, was vor 15 Jahren noch weit mehr als heute war, und hatte, wie sich bald herausstellte, keine Ahnung, was mit den Hühnerteilen passierte, die keine Flügel waren. Der »Stern«-Redakteur Bert Gamerschlag hat die angebliche Zartheit des Batteriehuhns einmal demonstriert, indem er eines dieser traurigen Exemplare vor laufenden Kameras mit bloßen Händen regelrecht zerriss. Mit einem muskulösen Mistkratzer aus Freilandhaltung gelang ihm das nicht.
Ein Batteriehuhn kann keine Muskeln entwickeln, weil es nicht laufen darf. Ernährt wird es mit tristem Brei oder Fischmehlen, was sich in einem Geschmack nach Brackwasser oder altem Karpfen niederschlägt. Dafür ist ein Batteriehuhn schön billig.
Liegt Geflügel erst einmal verpackt unter Plastikhüllen im Supermarkt, dann ist schwer zu erkennen, ob es letztendlich wirklich schmecken wird: Je nach Ernährung und Rasse wird die Haut der Hühnchen maisgelb, zartrosa oder cremefarben schimmern. Ein Qualitätszeichen ist das noch nicht. Ist die Hühnerbrust oben eher spitz als gerundet, sticht also das Brustbein hervor, wurde das Tier falsch ernährt und wird auch auf dem Teller weniger Vergnügen bereiten. Matte Haut und hervorstehende Fettkugeln sind ebenfalls keine guten Zeichen. Falls Sie unbedingt einzelne Hühnerbrüste oder -keulen erwerben möchten, sollte das Fleisch nicht unangenehm riechen und nicht an den Fingern kleben.
Das ist, zugegeben, Schadensbegrenzung und schützt nicht vor dem Erwerb des geschilderten Batteriehuhns. Also, wo finden wir denn jetzt das Huhn-Huhn?
Geflügelhändler und
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