100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
vollfleischigen Früchtchen ent worfen. Einfach perfekt! Und dann dieses weiße Fruchtfleisch – was für ein schöner farblicher Kontrast. Nur ist diese Zucht ware extrem aromenarm und hat mit wahren, wild wachsenden Heidelbeeren nichts gemeinsam.
Heidelbeeren, auch Blaubeeren genannt, müssen wild gepflückt werden. Sonst schmecken sie nicht wie sie selbst. Solche Beeren sind durchgehend blau, höchstens halb so groß wie die Zuchtpflanzen und inzwischen äußerst selten geworden. Manchmal findet man sie noch im Juli/August. Der ultimative Luxus ist dann eine hausgemachte Konfitüre von selbst gepflückten, wilden Heidelbeeren. Natürlich mit Fruchtstücken.
Hering (fetter Hering)
Der Hering scheint wieder in Mode gekommen zu sein. In meiner Kinderzeit war er »nichts Besonderes«, eine Art Notfall-Essen: Der Rollmops diente den Erwachsenen entweder zur Bekämpfung von Alkoholnachwirkungen oder er befriedigte Schwangerschaftsgelüste, ähnlich der sauren Gurke, als Bestandteil von Labskaus war er mir sowieso ein Graus (norddeutsche Leser mögen mir verzeihen, aber Hering und Rote Bete, das ist für einen Gebirgler eine unvorstellbare Mischung) und in der Fischsemmel auf dem Münchner Oktoberfest soll er wieder dem Alkoholkonsum dienlich sein, diesmal nicht nachwirkend, sondern vorbeugend. Allerdings erinnere ich mich, einmal eine solche Fischsemmel auf der Wiesn mit Hochgenuss verspeist zu haben – was ich aber nach einer Maß Bier als eine Art beschwipste Geschmacksverirrung verbucht habe. Immer Alkohol im Spiel – wo bleibt denn da das Begehrliche, das den Luxus-Genuss kennzeichnet?
Dass es fetten Hering gibt, setzt ja voraus, dass auch eine magere Variante existiert. Was hat es denn damit auf sich? Der Hering wird doch hoffentlich nicht auch schon gezüchtet, also industrialisiert sein?
Noch ist der Hering günstig und recht leicht zu fangen. Sein Gewicht und die Fettfrage hängen einfach mit der Laichzeit zusammen. Vom Januar bis mindestens März ist er mager und »leer«, ein trister Schatten seiner selbst, zumindest geschmacklich gesehen. Im »Viandier« aus dem 14. Jahrhundert empfiehlt der Koch Guillaume Tirel, genannt Taillevent, den Verjus, Saft unreifer Trauben, zum »Harens«. Alexandre Dumas hingegen rät in seinem Lexikon der Küche für den November zu »milchigen Heringen«: »Die gewöhnliche Methode, sie zuzubereiten, ist gegrillt, mit einer Buttersauce, verschärft mit feinem Senf.« Später erklärt er, der »frische Hering« sei »ein exzellenter Fisch, um den man viel Aufhebens machen würde, wenn er teuer und rar wäre; man muss ihn mit roten Kiemen, glänzenden Schuppen und rundem Bauch wählen.«
Der Heringsfreund mit den »Drei Musketieren« erzählt, dass »der Heringsfang der wichtigste von allen sei« und 800000 Menschen Arbeit gäbe, dass »Salzheringe von großer Nützlichkeit für die Arbeiter und die Armen sind« und dass die Engländer während der Karwoche raue Mengen davon nach Italien verkaufen würden. Er empfiehlt frischen Hering in Senfsauce oder mit Fenchel, Hering als Matrosentopf mit Pilzen und Knoblauch und diverse saure Heringe. All diese Tipps sind heute noch nützlich.
So ein Hering kann sogar ein Heiliger sein: Es gibt ein französisches Gedicht aus dem 15. Jahrhundert zum Ruhme des Saint Harenc. Er kann Adelstitel erwerben, schließlich gibt es im Englischen einen »King of Herrings« (der mit unserem Hering nicht identisch ist und den Riemenfisch Regalecus glesne bezeichnet). Und er kann Gold wert sein, zumindest diente er eine Zeit lang nicht nur niederländischen Seeleuten als Währung.
Neben frischem Hering mag ich besonders den Matjes, das Original aus den Niederlanden, auch Hollandse nieuwe genannt. Ein gewisser Willem Beukelszoon soll um 1380 die Methode erfunden haben, Hering mit Salz im Holzfass zu konservieren. Beukelszoons Trick war ausgeklügelt, nicht nur für die damalige Zeit: Er ließ beim Ausnehmen die Bauchspeicheldrüse im Fisch. Deren Enzyme fermentieren das Heringsfleisch und machen es noch zarter – das ist die Reifung.
Heute gelten für so einen Hollandse nieuwe allerlei Vorschriften, angefangen bei der Verkaufstemperatur, die 7° betragen sollte. Der Matjes muss von Mitte Mai bis Ende Juni gefangen worden sein. Damit ist er weder richtig mager noch ausgesprochen fett. Außerdem heißt er ja maatjesharing, also maagdenharing und damit Jungfrauenhering: Die Weibchen tragen beim Fang keine Eier. Tatsächlich liegt sein Fettgehalt bei
Weitere Kostenlose Bücher