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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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Fredy Girardet servierte in den 1980er Jahren ein fantastisches, sekunden genau gegartes Kalbsbries mit Gewürznelken. Und legendär, wenn auch heute leider nicht mehr zu haben, war das »Kalbsbries Rumohr« des deutschen Jahrhundertkochs Eckart Witzigmann, mit Lauch, Trüffeln, Stopfleber und Champagnersauce. Wer das erste Bries mit Genuss verzehrt hat, der wird irgendwann auch zum Genuss von Leber, Zunge oder Kopf vorstoßen. Und irgendwann einmal vielleicht sogar den Löffel in Beuscherl und die Gabel in Hirn senken.

Kapaun
    So einen armen, um seine stolze Männlichkeit gebrachten Hahn habe ich noch nie gegessen. Was nicht auf meine Tierliebe zurückzuführen ist, sondern eher darauf, dass diese Art des Mästens bei uns gänzlich aus der Mode gekommen ist: In Deutschland werden angeblich pro Jahr nicht mehr als 1500 Kapaune verkauft – und die dürften importiert worden sein.
    Ich kenne den Begriff Kapaun lediglich aus der Literatur: Kapaune waren zu Zeiten von Kaiserin Maria Theresia ein »Zahlungsmittel« für Beamte, Pachtherrn und bei Leibrenten. Und noch früher, bei fürstlichen und erzbischöflichen Festgelagen in längst vergangenen Zeiten – wo sich die Tische vor ausgefallenen Speisen bogen, aufwendig zubereitetem Schwanenbraten z. B. – war das fette, glänzende Fleisch der Kapaune ein unverzichtbarer Bestandteil, ja sogar Höhepunkt der Fressorgien. Und wer je von dem französischen Wunderkoch und -kämmerer Vatel gelesen oder den gleichnamigen Film mit Gerard Depardieu gesehen hat, kann sich das sehr gut vorstellen. Kapaune sind in Frankreich wohl heute noch ein typischer Weihnachtsbraten – und ich gebe offen zu, dass ich als Hühnervogelfleisch-Liebhaber zu gern wüsste, wie so ein gut gefütterter Kerl schmeckt.
    Vor solchen Genüssen stehen heute wohl die Tierschützer, die die Kastration und das Entfernen des Hahnenkamms und der Backenlappen des Tiers als Tierquälerei anprangern. Sicherlich nicht ganz zu Unrecht.Aber die Sache mit der artgerechten Haltung – von Tieren an sich – ist ja sowieso ein Märchen aus uralten Zeiten. Wer sich das wirklich zu Herzen nimmt, muss ohnedies Vegetarier werden ….
    Im Tierreich schmecken die Weibchen fast immer besser als die Männchen. Das ist beim Rind nicht anders als bei manchen Krustentieren. Nicht umsonst gibt es in der Stadt Charleston »She-Crab Soup«. Die Ausnahme von der Regel sind die Kastraten – ich weiß, wie dekadent das klingt.
    So ein Kapaun wurde im Alter von zehn bis zwölf Wochen kastriert. Das ist sicherlich Quälerei, besonders wenn der »Täter« nicht mit dem Körperbau eines Hahns vertraut ist. Wer sich darüber empört, darf freilich auch nicht das in Deutschland so beliebte Ochsenfleisch essen.
    Kapaune setzen nach der Operation während ihres fünf- bis achtmonatigen Lebens kräftig an Gewicht an: Ihr Fett sammelt sich anders als bei der Stopfentenbrust (siehe dort) nicht nur unter der Haut, sondern durchsetzt das gesamte Fleisch, es dient als Geschmacksträger, macht Brüste und Keulen feiner und saftiger. Auf den Markt kommen sie eigentlich nur im Dezember – als Festtagsbraten.
    Die kastrierten Hähne verdanken ihr Schicksal angeblich dem römischen Konsul Gaius Fannius Strabo. Der ließ 162 vor Christus ein Gesetz verabschieden, das die Kornreserven schonen sollte. Der Genuss des beliebten Hennenfleisches war fortan verboten. Denn Hennen ernähren sich von Körnern. Findige Bauern fanden schnell heraus, dass kastrierte Hähne zügig und mit verhältnismäßig wenig Korn an Gewicht zulegten. Und ein kastrierter Hahn ist halt keine Henne. So weit die Legende.
    Viele Regionen Europas setzen die Tradition des Züchtens von Kapaunen fort: Der italienische cappone gilt in den Regionen Friaul-Venezien, den Marken und den Piemonteser Dörfern Monasterolo di Savigliano, Morozzo, San Damiano d’Asti und Vesime als »prodotto agroalimentare tradizionale«. In Portugal feiern Genießer mit capão aus Freamunde und in Spanien mit capón aus Vilalba und Cascajares.
    Am besten ergeht es wohl den reputierten Kapaunen aus der Bresse: Sie dürfen sieben Monate lang auf Wiesen im Freien leben und werden dann noch vier Wochen gemästet. Am Schluss wiegen sie etwa drei Kilo. So ein Kapaun ist ein fetter Brummer, ein Festtagsbraten für die ganze Familie. Und er schmeckt sozusagen nach doppeltem Huhn-Huhn (siehe dort). Auch in der Bresse existieren leider inzwischen riesige Schlachtfarmen, der Züchter Miéral ist jedoch für seine

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