100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Meerkartoffeln heißen die Bonnottes und die anderen Sorten von Noirmoutiers, weil sie in Meeresnähe wachsen und manche Bauern sie mit Seetang düngen. Etwa hundert Tonnen davon werden jährlich per Hand gelesen. Inzwischen führen nicht nur Auktionshäuser, sondern auch ganz normale französische Supermärkte die einst so kostspielige Knolle.
Nun gibt es Kartoffeln in zahlreiche Sorten für jeden denkbaren Zweck, von Fritten über Suppen bis zu Gratins und Salaten. Es sind wirklich ganz besondere Knollen, ein Kapitel in ihrer Biografie könnte man dem Pariser Spitzenkoch Joel Robuchon widmen, der ein äußerst buttriges Kartoffelpüree zu einem gefragten Gericht für Feinschmecker machte. Für dieses schlichte Kartoffelpüree mietete der Herdmeister bei einem Monsieur namens Jean-Pierre Clot in Villegagnon ein eigenes Kartoffelfeld, wo nach seinen Vorgaben u. a. die Sorten »La Ratte« und »Agria« angebaut wurden. Snobismus? Purismus! Und Perfektionismus. Nun stammt die Kartoffelsorte »Agria« aus der Werkstatt von Europas größtem Produzenten Agrico-Hollande. Der große Koch lobt an ihr, dass sie nicht mehlig ist und beim Frittieren nicht an Geschmack verliert. Das richtige Frittenrezept verriet er gleich dazu: Seine Kartoffelstäbchen blanchiert er drei Minuten in kochendem, ungesalzenem Wasser. Danach lässt er sie abkühlen und frittiert sie anschließend 10 Minuten in 160° heißem Erdnussöl. Anschließend heißt es Abtropfen und einen zweiten Fritiergang bei 180–190° einlegen. Jeffrey Steingarten, ein bekannter New Yorker Autor, empfiehlt in seinem Buch »The man who ate everything«, Kartoffeln in Rinder- oder Pferdefett zu frittieren, was rege und nicht unbedingt schmeichelhafte Reaktionen unter seinen Lesern auslöste. Allerdings muss man wissen, dass die USA zu den größten Exporteuren von Pferdefleisch gehören.
Ich selbst esse selten Fritten und greife lieber zum Bamberger Hörnchen, einer alten fränkischen Sorte, die genau wie die Bonnotte von Hand gelesen wird. Sie wirkt knollig-verwachsen und schmeckt würzig, mit ganz leichtem Nuss-Aroma. Hier und da kann man immer noch lesen, das Bamberger Hörnle heiße auf Französisch »La Ratte«, die beiden Sorten seien identisch. Letzteres ist grundfalsch: Das Bamberger Hörnchen hat eine weiße Blüte, eine rosa Schale und hellgelbes Fleisch, während La Ratte eine rosa-violette Blüte, gelbes Fleisch und eine gelbe Schale besitzt. Und noch einen wichtigen Unterschied gibt es: »La Ratte« ist ertragreicher als der deutsche Konkurrent. Es lohnt sich also, solche Kartöffelchen als Bamberger Hörnchen zu verkaufen.
Kaviar
Um diese sündteuren schwarzen Kügelchen genießen zu können, habe ich mindestens so lange gebraucht wie für die Entdeckung der Auster. Für mich als klassenbewusstes »Arbeiterkind« war Kaviar ganz lange der Inbegriff von Dekadenz – obwohl ich mich dunkel erinnere, dass es zu Hause auf kalten Platten »falschen Kaviar« gab, allerdings weiß ich nicht mehr, woraus diese getürkte Variante bestand. Doch irgendwann schlug auch mir aus irgendeinem beruflichen Anlass die Stunde der Erkenntnis, und ich freundete mich mit dem echten Kaviar an. Auf Kartoffelschnee serviert ist er wirklich eine geschmackliche Besonderheit – und meistens mit Champagner verbunden, was auch nicht traurig macht. Dennoch sollte man mit diesem »schwarzen Gold« äußerst maßvoll umgehen – nicht nur der Kosten, sondern der ausgeräuberten Fische wegen.
Ich habe mich übrigens – was Kaviar betrifft – der Farbe Orange und damit dem Lachs- und Forellenkaviar zugewandt. Abgesehen davon, dass diese Fischeier milder schmecken, sind sie auch nicht vom Verschwinden bedroht. Lachskaviar auf Kartoffelschnee, mit saurer Sahne und geschmolzener Butter serviert, ist seit ein paar Jahren zu einem schon Tage vorher herbeigesehnten und besprochenen Weihnachtsessen an einem der Feiertage geworden. Und: Man erzielt mit geringstem Aufwand einen maximalen Genuss! Aber wo nehmen die Schwarzkügelchen-Hardliner heutzutage überhaupt ihren Kaviar her, nachdem sie den Nachwuchs des Störs verfuttert haben?
Der Fall der UdSSR hat zwei Opfer gefordert: Den Kommunismus und den Stör. Was den Kommunismus betrifft, können wir nicht wirklich sicher sein, dass er für immer von der Weltbühne abgetreten ist bzw. abtreten wird. Der Bestand an Wildstören jedoch erscheint ernsthaft gefährdet. Ohne das wachende Auge zentraler Aufsichtsbehörden wurden die Störe von
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