100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Qualität bekannt.
Schon wegen des Gewichts und der ungewöhnlichen Fettverteilung ist die Zubereitung zu Hause jedoch nicht ganz einfach. Eigentlich sollte man sie einem Fachmann überlassen. In Frankreich kannte ich einen Rôtisseur, einen hauptberuflichen Hähnchenbrater. Das Braten von Geflügel ist dort – meiner Meinung nach vollkommen zu Recht – ein Ausbildungsberuf, sogar einer mit Tradition. Schon 1248 gab es den Beruf des »Oyeur«, des Gänsebraters, nachdem König Ludwig zur Bildung von Berufsständen aufgerufen hatte. Unter Ludwig XII. ändert sich deren Name zum »Rôtisseur«. Gebraten wurden damals Geflügel, Wild und Hammel. Mit der Französischen Revolution geriet dieser Beruf in Vergessenheit, erst 1950 riefen Dr. Auguste Becart, die Küchenchefs Louis Giraudon und Marcel Dorin sowie die Journalisten Jean Valby und Curnonsky die »Chaîne de Rôtisseurs« ins Leben.
Der Rôtisseur hütet also die Flamme. Und meiner bestand darauf, Kapaune einen Tag vor der Zubereitung in Trüffeljus zu marinieren. Anschließend wurden sie gegrillt. Aber nicht irgendwie: Die offene Flamme heizt oben stärker als unten. Braunes Fleisch, wie z. B. Fasan, wird daher zuerst unten angegart, bevor der Rôtisseur zum Finish mit der Oberflamme ansetzt.
Ein Kapaun aus der Bresse wird relativ weit von der Flamme entfernt gegart. Würde er wie ein normales Huhn in die Hitze kommen, könnte er wegen seines Fetts regelrecht wegschmelzen. Weitere Akteure im Spiel der Flammen sind die Windrichtung und die Außentemperatur. Fünf Jahre seines Lebens hat mein Rôtisseur gebraucht, um die perfekte Geflügel-Garung zu meistern. Das bekommt man zu Hause wahrscheinlich nicht so richtig hin.
Wer es einfacher mag, sollte zu einer wirklich guten Bresse-Poularde greifen. Die ist zwar nur 1,8 Kilo schwer, lässt sich aber wie gewöhnliches Huhn zubereiten. In gewisser Weise ist sie eine Leidensgenossin des Kapauns. Das Wort Poularde bezeichnet für französische Bauern eine Henne, die niemals Eier gelegt hat: ein jungfräuliches Huhn …
Kapern von Pantelleria
Was wären Königsberger Klopse oder Vitello Tonnato ohne Kapern? Nur schlechte Kopien der Originalgerichte. Dass es allerdings Qualitätsunterschiede auch bei diesen eingelegten Blütenknospen gibt, auf die Idee wäre ich nicht gekommen. So wie mir auch nicht bewusst war, dass Kapern von ganz bestimmten Sträuchern oder Bäumen stammen. Meine Großmutter machte beispielsweise aus den Knospen der Kapuzinerkresse Kapern, die sogar sehr markant schmeckten. Das hat mich vielleicht verführt zu glauben, man könnte das generell mit Knospen von Pflanzen so machen, die einen ausgeprägten Eigengeschmack haben. Was wohl ein Irrtum ist, wenn sogar geografische Lagen wie die der unbekannte Mittelmeerinsel Pantelleria eine Rolle spielen.
Dass es Kapern in den Küchen schon von je her gab, zeigt eine Erwähnung im Alten Testament: König Salomon benennt sie, um an ihrem Beispiel die Vergänglichkeit der Welt zu verdeutlichen.
Kapern nennt man die eingelegten Blütenknospen des Kapern strauchs – alles andere sind Ersatzprodukte, die man sicher auch in Essig, Öl oder Salz einlegen kann. Und wie immer bei Obst und Gemüse spielen Boden, Klima und Mikroklima eine nicht zu unterschätzende Rolle. So wenig wie die Anbaugebiete von Weintrauben einander gleichen, so wenig ähneln sich die »Kapernregionen«, Spargelregionen, Böden der Orangenhaine etc.
Pantelleria ist eine Vulkaninsel, südlich von Sizilien gelegen, der man ihre vulkanische Vergangenheit schon aufgrund ihrer schwarzen Küstenfelsen deutlich ansieht. Von hier kommt übrigens ein Süßwein namens Passito, der auf der Basis getrockneter Muskat-Trauben (Zibeben, siehe dort) hergestellt wird. (Die bekannteste Winzerin der Insel ist wohl die französische Schauspielerin Carole Bouquet, deren Promi-Status auch den Weinpreis »infiziert« hat.) Zwischen den Weinbergen wuchsen seit jeher die Kapernsträucher, wie es Professor Calcara 1855 in der »Kurzen Darstellung der erdkundlichen Beschaffenheit und der Landwirtschaft der Insel Pantelleria« im »Journal der Kommission für Landwirtschaft und Viehzucht in Sizilien« beschreibt: »An der Südküste der Insel und auf den unfruchtbaren Felsenvorsprüngen wächst die Kaper wild, deren Knospen von den Armen im Juli und August vor der Blüte eingesammelt und an eine Gruppe von Personen verkauft werden, die diese nach ihrem Kaliber sortieren, in Salzlake oder Essig einlegen und dann
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