100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
hier die ältere Variante, kräftiger, pikanter, würziger, etwas für Liebhaber.« Ich wand mich noch ein wenig und bekam, während Monsieur mir schon etwas Camembert auflegte, eine Käselektion: Der Mann erzählte, dass schon Plinius der Ältere einen Käse erwähnt, bei dem es sich um Roquefort handeln könnte. Dass Roquefort ab Juni erstklassig schmeckt, weil die Schafe angeblich im März die beste Milch geben und der Käse drei Monate lang reift. Dass gute Roqueforts glatt und gleichmäßig »geädert« sind, während schlechte Exemplare krümelig ausfallen. Oder dass bereits Karl dem Großen während einer Roquefort-Probe die rechten Tischmanieren beigebracht wurden: Bei einem Halt im Kloster von Vabres wollte er kurzerhand die blauen Adern aus dem Käse schneiden, als ihn ein gestrenger Mönch belehrte: »Sire, Ihr seid im Begriff, das Beste zu entfernen!«
Dermaßen überzeugt, kostete ich mich durch die Käse aller Alterungsstufen, von cremig-würzig bis herzhaft, mit einem ganz leichten metallischen Nachgeschmack. Da wusste ich, wie so diese Aromenkugel schon Voltaire, Casanova und Rabelais die Papillen tanzen ließ. Roquefort kommt – woher sonst? – aus Roquefort. Genauer gesagt: Aus Roquefort-sur-Soulzon, 702 Einwohner, ein winziges Nest mit einem Archäologiemuseum und zwei Menhiren. Die Region ist karg, die wenigen Häuser klein und massig, aus solidem Stein errichtet. Zwischen den kuriosen Felsformationen möchte man eigentlich zum Schaf werden: Rundum nur aromatische Wildkräuter, ab und an ein Busch, überall Gras, auch wenn’s ein bisschen dürr wirkt. Die Steinzäune sind mit einem beherzten Hüpfer übersprungen, der Hirte lässt sich nur gelegentlich sehen. In den Futtertrog darf keine genmanipulierte Kost und erst recht kein Tiermehl. Selbst die Gefahr, auf irgendeinem Teller zu landen, ist relativ gering: Lammfleisch gibt es überall. Aber nur die Schafe der etwa 2500 Züchter aus den Causses und Larzac, also Roquefort und Umgebung, sollen die Milch für den König der Käse liefern. »Wie er seit undenklichen Zeiten in den Grotten des Dorfes erzeugt wird«, so heißt es schon in einem Dokument Karls des VI., das dem Dorf das Roquefort-Monopol sicherte. Eine ernst gemeinte Warnung: Wer seine Käse anderswo als in den ebenso berühmten wie feuchten Grotten von Cambalou reifen ließ, hatte im 17. Jahrhundert vor dem Gericht von Toulouse mit der drakonischen Geldstrafe von 1000 Pfund zu rechnen: Les Grottes, das sind natürliche Höhlen im Kalkstein-Massiv von Cambalou (von campus bellum, Schlachtfeld), zwei Kilometer lang und gerade mal 300 Meter breit, belüftet durch die »Fleurines«genannten Felsrisse. Ob Regen, Schnee oder Sonnenschein, in den klösterlich anmutenden Gewölbekellern schwanken die Temperaturen etwa zwischen acht und zehn Grad. Ein idealer Platz nicht nur für Käseruhe, sondern auch ein wahres Paradies für einen winzigen Pilz namens Penicillium roqueforti. Das ist tatsächlich ein Schimmelpilz, den man unter normalen Umständen eigentlich nicht auf seinem Teller haben will. Doch was anderswo jedes Gericht ungenießbar macht, hilft dem lokalen Fromage erst zum richtigen Aroma: Traditionell werden Roggenbrote zum Schimmeln ausgelegt. Der Schimmelflaum wird anschließend getrocknet und dem Käse zugegeben. »Genauso wird es schon in der Roquefort-Legende geschildert«, erklären Jean-Pierre und Emanuel Laur, Käsemacher in fünfter Generation. »Ein junger Hirte ließ seine Schafe vor einer Grotte im Hochland der Causses grasen und vergaß beim Anblick seiner Liebsten seinen Proviant: Dickgelegte Milch und etwas Schwarzbrot hatte der Monsieur im Marschgepäck – und als er ein paar Tage später zurückkehrte, fand er anstelle der Milch einen von blauen Adern durchzogenen Käse vor. Mutig und zweifelsohne auch hungrig, biss er hinein – und fand den neuen »fromage« einfach köstlich.« Voilà le Roquefort! Die beiden Laurs sind Kleine in der Käsezunft – auch wenn sie anerkanntermaßen zu den Besten gehören. »Unser Großvater Gabriel Coulon wollte 1872 eigentlich einen Weinkeller errichten, als er in seinem Haus auf Fleurines stieß. Kurzerhand wurde er Käsemacher.« 1872 klingt nach langer Tradition. Aber in Roquefort ist die Familie fast ein Newcomer. Schon 30 Jahre früher hatten einige Klein bauern »La Société« gegründet. La Société hat heute die schöns ten Keller im Kloster-Look mit Gewölbekellern und imposanten Regalen. »La Rue des Caves«, die
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