100 Prozent Anders
die Frage, was es über mich zu berichten gab, das so brisant sein könnte. Im Geiste ging ich die vergangenen fünfeinhalb Jahre durch. Es gab nichts, aber auch gar nichts, was ich mir hätte vorwerfen können. Ich hatte keine Leichen im Keller, es gab keine Oma, deren Handtasche ich geklaut hatte, und keine perversen Sexualpraktiken oder heimliche Geliebte – so wie bei Dieter. Ich war ratlos. Und innerlich völlig aufgewühlt.
Gegen Mitternacht erschien bereits die Online-Ausgabe der Bild-Zeitung des kommenden Tages. Gaby und ich verabredeten, dass wir nachts telefonieren wollten. Als ich die Schlagzeile der Bild-Zeitung vom 25. September 2003 las, traf mich beinahe der Schlag: „Thomas Anders ist gierig, faul und skrupellos!“
Immer wieder las ich Dieters Unterstellungen. Ich konnte es nicht fassen und dachte mir: Der Typ muss hundertprozentig den Knall nicht gehört haben! Was soll ich getan haben??? Ich soll mich an seiner Kohle bereichert haben? Falsche Abrechnungen von Hotelzimmern und Chauffeur-Diensten? Dieter hatte da einen ziemlichen Mist geschrieben.
Gaby und ich berieten uns bis gegen ein Uhr nachts und verabredeten uns für den Morgen wieder am Telefon. Natürlich machte ich in dieser Nacht kein Auge zu. Zumal ich einfach nicht begreifen konnte, warum er das gemacht hatte. Das waren doch alles haltlose Unterstellungen und Lügen. Ich war mir sicher, dass kein Mensch sich für diesen banalen Scheiß interessieren würde. Doch ich hatte mich geirrt.
Gegen sieben Uhr in der Früh klingelte zum ersten Mal mein Handy. Das ging dann den ganzen Tag so, ohne Pause. Bis ich es irgendwann ausschaltete. Um acht Uhr rief Gaby an und informierte mich: „Thomas, ein Fahrer ist zu dir unterwegs nach Koblenz. Er ist in knapp einer Stunde da und holt dich ab. Ich habe ein Meeting in meinem Büro in Köln angesetzt. Wir besprechen die Situation mit meinen Mitarbeitern und zwei Anwälten. Und übrigens, heute Abend bist du in der Sendung von Johannes B. Kerner in Hamburg. Pack dir was zum Übernachten ein.“
Ich war dann mit dem Fahrer auf dem Weg nach Köln und wollte mir an einer Raststätte etwas zu trinken kaufen. Die Menschen beobachteten mich aufmerksam. Als ich an der Kasse stand, sagte der Kassierer zu mir: „Ich würde dem Bohlen ein paar auf’s Maul hauen!“
Das Meeting bei Gaby dauerte vier Stunden. Wir überlegten uns, wie wir gegen Dieter Bohlen vorgehen wollten. Uns war klar, ich musste klagen. Würde ich nichts tun, würden Millionen Menschen denken: „An den Vorwürfen ist was dran. Wäre es nicht so, hätte sich der Anders doch gewehrt.“ Wir redeten auch über den bevorstehenden Auftritt bei Johannes B. Kerner. Was sollte ich tun? Wie sollte ich mich verhalten?
Gaby ging kurz nach draußen, und als sie zurückkam, lachte sie lauthals: „Stefan (Stefan Raab) rief gerade an und sagte, dass wir uns über den behämmerten Bohlen bloß nicht aufregen sollen. Dieter sei im Ausland doch sowieso nur der Gitarrist von Thomas Anders.“ Wir lachten, und der Spruch war geboren! Gaby und ich machten uns auf den Weg nach Düsseldorf zum Flughafen, um von dort nach Hamburg zu fliegen. Ich sah die Menschen in der Lufthansa-Lounge, ich sah in ihre Gesichter, und ich sah auf die Bild-Zeitung in ihren Händen. Wie viele von ihnen überlegten jetzt wohl: „Hat er, oder hat er nicht? Stimmen die Vorwürfe von Dieter Bohlen?“ In diesem Moment wurde mir klar, ich würde kämpfen für die Gerechtigkeit und für meine Würde und für meinen Sohn. Niemals sollte Alexander in Büchern lesen, dass sein Vater angeblich geklaut hatte.
Ich kam in Hamburg im Fernsehstudio an, und es herrschte hektische Betriebsamkeit. Johannes B. Kerner kam schmunzelnd auf mich zu: „Dieter rief an und hat mir gedroht. Sollte ich dich auftreten lassen, werde er nie mehr in meine Sendung kommen.“ Dann grinste er: „Wegen mir muss er nicht mehr kommen.“
Weder Dieter noch Johannes haben sich übrigens an ihren Vorsatz gehalten …
Ich führte Gespräche mit meinem Medienanwalt Dr. Meyer-Bohl, und wir waren derselben Meinung: Wir wollten eine einstweilige Verfügung gegen den Verlag erwirken, dass die mich betreffenden Passagen in dem Buch gestrichen werden müssen. Zudem musste ich Dieter Bohlen persönlich verklagen.
Die Schlammschlacht, die nun folgte, ist ausführlich in Tausenden von Zeitungs-, Radio- und Fernsehberichten geschildert worden, deshalb möchte ich es kurz machen. Ich verklagte Bohlen auf eine Million Euro
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