100 Prozent Anders
der Haare wurde von ihm angebellt, und wenn es ging, schnappte er ihn sich und kaute wütend darauf herum. Der Riesenschnauzer und ich brauchten unsere Zeit, um uns anzufreunden. Vor allem benötigte ich einige Zeit, bis ich akzeptieren konnte, dass der Hund morgens bei Nora und mir im Bett lag. Eigentlich undenkbar, dass ein Hund, so groß wie ein Kalb, morgens auf der Bettdecke liegt. Aber was sollte ich tun? Noras Wünsche waren mir stets Befehl.
Wenn Nora und ich unterwegs waren, hielt sich der Hund meistens im Garten unseres Appartementhauses auf. Eines Tages war er nicht mehr da! Wir kamen nach Hause, und der Hund war verschwunden. Das Tierheim, das Forstamt und die Polizei wurden verständigt. Zettel und Plakate aufgehängt, aber der Hund blieb verschwunden. Um ehrlich zu sein, war ich erleichtert, dass er weg war. Keine „Bestie“, die morgens im Bad beim Rasieren den Rasierer anbellte und mich beim Betreten der Wohnung erst mal anknurrte, bevor sie merkte, dass ich ihrem Frauchen nichts tun würde. Natürlich tat ich Nora gegenüber betroffen, half beim Suchen und hoffte ihr zuliebe auch darauf, dass wir ihn finden würden. Nach einer Woche fügte sich Nora in ihr trauriges Schicksal. Es gab keine einzige Spur von ihrem Hund. Er war weg!
Eines Morgens beim Frühstück sagte sie zu mir: „Weißt du, ich will nicht ohne Hund sein.“ „Ich kann das verstehen“, gab ich zurück, „Hunde sind einfach toll.“ „Ich möchte wieder einen neuen Hund haben“, bettelte sie weiter. „Oh ja, ich auch“, erklärte ich und dachte an ein Tier normaler Größe. Nora: „Also ich hab mir mal Gedanken gemacht. Riesenschnauzer sind ja tolle Tiere, aber ich glaube, wir sollten uns eine Dogge kaufen.“ Dogge???!!! In meinem Gehirn ratterte es: Fleischfressende Monster, die mit einem einzigen Bissen dein Leben beenden können. „Das kann nicht dein Ernst sein“, antwortete ich. Und: „Niemals kommt mir eine Dogge ins Haus. Die sind riesig und brauchen viel Platz.“ Ich hoffte auf menschliche Einsicht. Weit gefehlt! „Ich hab schon telefoniert“, flötete Nora. „Lass uns morgen mal zu einem Züchter fahren. Du wirst sehen, das sind ganz brave Tiere.“ Nora lächelte mich an.
Am nächsten Tag fuhren wir nach Buchholz in der Nordheide. Einfach mal 1 000 Kilometer hin und zurück, um sich eine Dogge anzusehen.
Wir kamen zum Doggenzüchter, der einen alten Bauernhof bewohnte. Nora klingelte, öffnete das Tor und ging zum Haupthaus. Ich war etwas vorsichtiger und sah erst mal nach rechts und nach links, bevor ich zaghaft einen Fuß durch das Hoftor setzte. Nichts geschah. Ich ging hinein und stand mitten im Hof, als plötzlich mindestens 20 ausgewachsene Doggen auf mich zugerannt kamen. Ich erstarrte zur Salzsäule. „Das war’s!“, schoss es mir durch den Kopf. „Kein Mensch überlebt einen Angriff von 20 kläffenden Monstern mit einem Gesamtgewicht von 1 200 Kilogramm.“ Als mich das erste Vieh ansprang, schrie ich: „Noraaaa! Es gibt keine Dogge!“ In dem Moment zischte ein schrilles Pfeifen durch die Luft. Der Hundezüchter pfiff durch die Finger und rief nur: „Ab!“ Alle Hunde hielten abrupt inne und trotteten wie begossene Pudel Richtung Zwinger. Ich war gerettet. An der Haustür stand meine Nora und streichelte lächelnd eine Dogge.
Im Haus hielten sich weitere fünf Doggen auf, die, bis auf eine, auf uns zuliefen und uns neugierig beschnupperten. Im hinteren Teil des Wohnraumes lag eine Dogge in ihrem Korb und beobachte ganz ruhig, was sich hier abspielte. Ich flüsterte Nora zu: „Wenn wir eine Dogge kaufen, dann nur die dort.“
Nachdem wir vom Züchter fast alles über Doggen erfahren hatten, über ihr Wesen, ihre Macken, ihre Essgewohnheiten und ihre Pflege, von „bösen Geschichten“ gehört hatten, die von Doggengegnern erfunden waren, also nach gefühlten zwei endlosen Stunden, sollten wir uns eine Dogge aussuchen. Der Preis lag bei 3 000 Mark pro Tier, und ich hatte meine Wahl schon getroffen. „Wir nehmen die da“, ich zeigte auf die ruhige Dogge, die friedlich in ihrem Korb schlummerte. „Das tut mir leid“, sagte der Züchter, „das geht nicht. Askan ist ein Zuchtrüde, und ich kann ihn nicht abgeben.“ Ich ließ den Züchter unmissverständlich wissen: „Die oder keine!“
Nach kurzem Hin und Her gab der Züchter nach und erklärte: „Okay, aber als Zuchtrüde kostet der Hund 4 000 Mark.“ Sehr geschäftstüchtig, gelinde gesagt.
Schweren Herzens zückte ich mein
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