100 Prozent Anders
Motto lautete immer: „Ich möchte nicht in der Öffentlichkeit auftreten. Ich schreibe Songs und will damit viel Geld verdienen. Mehr nicht.“ Umso verwunderlicher ist die Wandlung, die Dieter im Laufe der Jahre durchgemacht hat. Es gibt wohl in Deutschland keinen Prominenten, der öffentlichkeitsgeiler ist als Dieter. Wehe, er taucht mal zwei Wochen lang nicht in den Medien auf. Da kann er vermutlich nicht mehr ruhig schlafen und überlegt sich womöglich irgendwelche wirren Geschichten, mit denen er an die Öffentlichkeit gehen könnte. Mal lässt er die Bild-Zeitung, sein Lieblingsblatt, quasi live dabei sein, wenn sein Haus überfallen wird. Ein anderes Mal ruft er die Bild noch aus der Klinik an, um zu berichten, dass er sich seinen Penis gebrochen habe, weil ihm angeblich der Klodeckel auf sein bestes Stück gefallen ist.
1984 wäre Dieter ein solches Verhalten niemals in den Sinn gekommen. Damals war er von dem lästigen Plappermaul, das er heute ist, in etwa so weit entfernt wie die englische Sängerin Susan Boyle von einer Karriere als Laufstegmodel. Für seine Verhältnisse war Dieter damals richtig normal und nett. Wenn man ihn heute erlebt, kann man sich das kaum noch vorstellen.
Die Plattenfirma war sich unsicher, ob wir mit „You’re My Heart, You’re My Soul“ tatsächlich einen großen Erfolg schaffen würden, und wollte erst einmal mit einem Partner-Casting abwarten. Auch Dieter und ich hätten zu diesem Zeitpunkt nicht im Traum damit gerechnet, dass „You’re My Heart, You’re My Soul“ ein paar Wochen später ein Welthit werden und wir mit schließlich mehr als 120 Mio. verkauften Tonträgern einmal Deutschlands erfolgreichstes Pop-Duo aller Zeiten sein würden.
Zunächst schien es auch, als würde die Plattenfirma mit ihrer Skepsis recht behalten, denn die Single verkaufte sich anfangs nur schleppend. Jeden Montag wurden die neuen Verkaufszahlen gelistet, und so hoffte ich von Woche zu Woche auf ein Wunder. „You’re My Heart, You’re My Soul“ kam im Oktober 1984 in den Handel, und bis Dezember waren gerade einmal 6 000 Singles verkauft. Das war absolut Nichts für die damalige Zeit. Heute wäre man damit unter den Top 20 der Charts. Aber damals benötigte man mindestens 40 000 verkaufte Singles, um überhaupt in die Charts zu kommen. Davon waren wir Anfang Dezember 1984 meilenweit entfernt.
In den ersten Januartagen 1985 rief ich Petra Schumann an, die gute Seele von Hansa, und wollte von ihr die aktuellen Verkaufszahlen wissen. Ich werde nie vergessen, wie sie sagte: „Du, Thomas, die haben sich verdruckt. Ich rufe mal eben in München bei der Zentrale an und melde mich gleich noch mal bei dir.“ Zehn Minuten später klingelte mein Telefon. Petra war dran: „Hallo, Thomas, die haben sich nicht verdruckt. Wir haben über 60 000 Singles verkauft. In den letzten vier Wochen.“
Von 0 auf 38 war „You’re My Heart, You’re My Soul“ in die Charts geschossen. Da die Plattenfirma noch keinen Partner für mich gefunden hatte, gab es gar keine andere Wahl: Dieter musste mit auf die Bühne. Schließlich hatten wir in der ersten Januarwoche bereits unseren ersten Auftritt in der Musiksendung „Formel 1“ (ARD) von Ingolf Lück.
Innerhalb der nächsten vier Wochen landeten wir auf Platz 1 der Charts. Nun gab es kein Zurück mehr. Wir konnten unseren Fans ja nicht plötzlich erzählen, dass wir Dieter gegen ein Model austauschen würden. Dieter Bohlen war also „Part of Modern Talking“.
Die Anfangszeit von Modern Talking war klasse. Wir schwebten alle auf „Wolke Sieben“, und der Erfolg war gigantisch. Natürlich wurde sofort ein Album produziert und zusammen mit der zweiten Single „You Can Win, If You Want“ veröffentlicht. Ich werde nie vergessen: Als wir mit „You’re My Heart …“ Nummer eins wurden, sagte der damalige Geschäftsführer der Hansa, Hans Blume, zu mir: „Thomas, genieße es. So etwas kommt nicht wieder. Es wird die einzige Nummer eins deines Lebens bleiben.“
Mir war egal, was er sagte. Ich träumte, solange ich denken konnte, davon, einmal in den deutschen Charts zu sein. Und jetzt war ich Nummer eins! Ich dachte mir nur: Okay, vielleicht ist es meine einzige Nummer eins, aber es gibt Hunderttausende von Künstlern, die diese Erfahrung nie hatten oder haben werden. Ich war happy!
Auch privat genoss ich mit Nora unser Leben. Wir waren gerade einmal zwei Monate verheiratet, und meine Karriere schoss ins Universum.
Für Nora war dieses
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