100 Prozent Anders
genug, kein Superlativ wurde ausgelassen. Modern Talking, also Dieter und ich, waren Superstars.
Irgendwann traten bei uns physische und psychische Ermüdungserscheinungen auf. Das Reisen war anstrengend. Es kam vor, dass ich meine Eltern und Freunde wochenlang nicht zu Gesicht bekam. Was mich völlig mürbe machte. Uns wurde überhaupt keine Zeit mehr gegeben, um uns zu erholen. Irgendwann sehnte ich mich einfach mal wieder nach ein bisschen Normalität. Ich wollte nicht jeden Abend in einem Sterne-Restaurant essen. Eine Stulle mit Fleischwurst hätte mir schon gereicht. Doch für die Plattenfirma zählten nur der Erfolg und damit verbunden natürlich das Geld, was ja auch völlig normal war in unserem schnelllebigen Business. Wenn ein Künstler nicht arbeitet und sich nicht vermarktet, kaufen die Fans keine Alben. Andererseits wussten sie natürlich auch, dass sie vorsichtig mit mir umgehen mussten, damit ich nicht alles hinwarf. Sie waren ja auf mich als Sänger angewiesen.
Ich konnte mich nicht mehr frei bewegen. War ich zu Hause in Koblenz, konnte ich nicht einfach zum Italiener oder in die Eisdiele gehen. Es endete immer damit, dass ich eine Autogrammstunde geben musste, meine Pizza kalt war und das Lokal irgendwann wegen des immensen Andrangs geschlossen wurde.
So kam es vor, dass ich mir mein geliebtes Spaghetti-Eis mit dem Taxi kommen ließ und den ganzen Tag zuhause hinter verdunkelten Fenstern verbrachte. Jahre später wurde noch in Koblenz erzählt, dass ich mir für elf Mark Eis habe liefern lassen. So, what! Ich war höchstens 18 Stunden zuhause und hatte eben Lust auf ein Eis aus der Eisdiele. Ich wollte vielleicht einfach mal meine eigenen vier Wände nicht verlassen, im Schlabberlook vorm Fernseher abhängen und meine Ruhe haben.
Was sind dann schon elf Mark?
***
Auch Dieter hatte sich verändert und war bald nicht mehr so wie früher. Wobei ich sagen muss, eigentlich kannte ich ihn von früher gar nicht. Unsere gemeinsamen Stunden im Aufnahmestudio waren ja nicht maßgebend für die Kenntnis des wahren Menschen Dieter Bohlen. Mittlerweile, nach fast einem Jahr ununterbrochenen gemeinsamen Reisens – gemeinsame Flüge, gemeinsame Autofahrten, dieselben Hotels, Haut an Haut bei Fotoaufnahmen, im Fernsehen, beim Abendessen, bei Preisverleihungen –, empfand ich das ständige Zusammensein mit Dieter als absolut anstrengend und nervenaufreibend.
Am Anfang teilten Dieter und ich uns eine gemeinsame Garderobe und einen gemeinsamen Fahrer. Und zwischendurch hatten wir auch unseren Spaß, so ist es nicht. Dieter kann ja durchaus Unterhaltungswert haben. Aber ich kann auch mit jemandem, den ich in einer Kneipe beim Bier kennenlerne, für ein, zwei Stunden Spaß haben. Mit Dieter musste ich jedoch am nächsten Tag wieder zusammenarbeiten, was oft schwierig war.
Dutzende Male passierte es, dass wir vor einem Interview unsere Strategie besprachen, wer was sagen sollte. Kaum hatte das Gespräch aber begonnen, laberte Dieter genau das Gegenteil von dem, was wir besprochen hatten. Mein Eindruck war: Alles nur, um bei den Journalisten aufzufallen und mich bloßzustellen. Insgeheim glaube ich fast, dass bei Dieter zwei Drähtchen im Kopf nicht richtig zusammengelötet sind. Ansonsten ist sein Verhalten nicht zu erklären. Ihm fehlt meines Erachtens ein Gefühls-Gen.
Dieter gab mal einer sehr sympathischen Journalistin der Bravo ein Interview. Hinterher erzählte er mir, wie viel Spaß ihm das Gespräch gemacht habe. Nach einer halben Stunde kam die Journalistin zurück, weil sie ihre Jacke in unserer Garderobe vergessen hatte. Dieter schrie die arme Frau an, sie solle sich sofort verpissen, was sie hier überhaupt noch wolle etc. Ich saß daneben und dachte, ich sei im falschen Film.
Dieses oder ein ähnliches Verhalten wiederholte sich ständig und war der Grund, weshalb ich irgendwann auf einer eigenen Garderobe bestand. Ich beschloss für mich, dass Dieter und ich Kollegen waren, mehr nicht. Freunde sagten oft zu mir, ich solle nicht so hart mit Dieter sein, solle mich mehr öffnen und ihm auch private Dinge über mich erzählen. Ich habe das sogar anfangs versucht. Bis ich irgendwann dahinterkam, dass er manchmal alles gegen mich verwendete und mir meine eigenen Sätze im Mund umdrehte.
Ich ließ mir von Peter Illmann mal ein Bühnenprogramm schreiben für eine Modern-Talking-Tournee. Ich wollte einfach andere Sprüche zwischen den Songs bringen, um das Publikum nicht mit dem immer Gleichen zu
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