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100 Tage Sex

Titel: 100 Tage Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Brown
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betrat, wusste ich, dass ich hierhergehörte. Mir gefielen das Klackern der Computertastaturen, der Anblick der Bücherund Papierstapel auf den Schreibtischen der Redakteure, der Geruch nach Druckerschwärze, die witzigen Kommentare, die über die Tische hin und her flogen. Ich begann, Reportagen für die Zeitung zu schreiben, während ich nebenher weiter in Teilzeit für eine Theatertruppe arbeitete. Dann bekam ich einen festen Aufgabenbereich, ein paar ländliche Gemeinden, über die ich berichten sollte. Ich bewarb mich für den Graduiertenstudiengang Journalismus an der University of Minnesota, erhielt ein Stipendium und fing an, von Elchen, Eishockey und Schnee zu träumen. Und dann rief die Bekannte an.
    »Ich bin Annie kürzlich um zwei in der Früh in einem Diner über den Weg gelaufen«, berichtete sie. »Ich habe ihr erzählt, dass du angerufen und dich erkundigt hast, ob sie gerade solo sei. Sie erzählte, dass sie sich von dem Engländer getrennt hätte und sehr gern mit dir ausgehen würde.«
    »Großartig«, stammelte ich mit klopfendem Herzen. »Ich ruf sie gleich an.«
    »Spar dir die Mühe«, sagte Sue. »Sie hat gekündigt und ist jetzt in Westafrika.«
    »Westafrika?«, wiederholte ich verblüfft.

    »Genau. Senegal, Sierra Leone und so. Sie erholt sich dort einen Monat lang mit ein paar Freunden.«
    Wie gesagt, Annie hat es gern abenteuerlich.
    Einige Wochen später kam sie aus Afrika zurück und wir verabredeten uns für unser erstes Rendezvous. Wenige Monate danach lebten wir beide in Minnesota - allerdings in getrennten Wohnungen; Annie war bereit, mit mir ins Land der zehntausend Seen zu ziehen, aber nicht in eine gemeinsame Wohnung. Nicht zuletzt, weil ihre Oma verzweifelt wäre, wenn ihre einzige Enkelin mit einem Jungen in Sünde gelebt hätte. Erst ein Jahr später zogen wir zusammen in eine Wohnung - mit zwei Telefonanschlüssen. Eine Leitung für die Anrufe der Großmutter, die zweite für alle anderen. Während dieser zwei Jahre, in denen wir im Schnee Minnesotas steckten, strickte Annie mir die grüne Mütze. Jetzt, fast fünfzehn Jahre später, holte ich sie mir zurück.
    Ich schwelgte in diesen Erinnerungen, und ich weiß nicht, ob der Sex dazu beigetragen hatte, sie aus den Archiven meines Gedächtnisses hervorzuholen. Wie auch immer, ich genoss die Bilder und Eindrücke aus diesen frühen Jahren in Philadelphia und Minneapolis. An ihnen wärmte ich mich während meines Spaziergangs durch den eiskalten Januarnachmittag.
     
    An diesem Abend brauchte auch Annie etwas Herzerwärmendes: Sie hatte sich mit den Pfadfinderinnen herum ärgern müssen.
    Die seltsamen Ortsgruppenführerinnen hatten in einer Turnhalle voll verwirrter Mädchen und Eltern schwungvolle Bingorunden veranstaltet, aber nicht mit Zahlen, sondern
mit verschiedenen Pfadfinderinnen-Keksen. Moderiert hatten sie das Spiel mit surrealem, erschreckendem Clownsgrinsen, das ihr Gesicht die ganze Zeit nicht verließ. Annie war als Kind zu den Pfadfinderinnen gegangen, hatte sich aber nie wirklich mit dem Verein anfreunden können. Schon bald warf man sie raus. Sie beneidete ihre Brüder, die bei den Pfadfindern waren. Für Jungen bedeutete Pfadfinder sein, in Zelten zu schlafen, Feuer mit Stöckchen und trockenem Gras zu machen, mit Pfeil und Bogen zu schießen und ganze Wochenenden lang im Kanu auf Flüssen herumzuschippern. Die Mädchen aber buken Muffins, verkauften Kekse, nähten Kissen und schusterten andere Handarbeiten zusammen. Annie fühlte sich um echtes Pfadfinderleben »betrogen«. Jetzt war das Thema wieder aktuell geworden, weil viele von Jonis Freundinnen bei den Pfadfinderinnen waren. Also wollte Joni auch beitreten, und Annie sah eine Möglichkeit, die Organisation vielleicht von innen heraus zu verändern.
    Als sie mit mir über ihre Pläne sprach, spürte ich eine Kombination aus Zuneigung und Angst: Ich fand ihren Reformationseifer außerordentlich süß, fürchtete aber, dass sie unweigerlich scheitern müsste. Schließlich war die Pfadfinderbewegung ein Koloss. Und tatsächlich blieb die Ortsgruppe der Pfadfinderinnen hauptsächlich auf Handarbeiten und, natürlich, Keksbacken fixiert. Annies Versuche, etwas daran zu verändern, stießen auf totales Unverständnis. An diesem Abend war sie schwer gefrustet - was ungehemmter Fleischeslust nicht direkt förderlich war.
    »Heute könnte es schwer werden«, sagte sie seufzend, während wir die Kinder für die allabendliche Zubettgeh-Routine nach oben

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