100 Tage Sex
meinen verdammten Schatten zurück, ich strotzte vor Kraft, alles prickelte - die Schläfrigkeit war wie weggeblasen. Ich genoss das Gefühl, als der Orgasmus wie eine Welle anschwoll und schließlich über mich schwappte.
Wir lagen nebeneinander in den Laken. Annie streichelte meinen Arm.
»Geschafft!«, sagte sie.
Ich gähnte wieder. »Und es war sogar gut. Verblüffend.«
Wir hörten noch ein wenig dem Wind zu, wie er an den Fenstern rüttelte, dann rollten wir uns auf unsere Seiten und begannen wegzudämmern.
»Ach, das vergaß ich dir zu erzählen: Vielleicht war es keine gute Idee, die Mädchen mit dem ›jugendfreien‹ Teil der Messebeute spielen zu lassen«, sagte Annie. »Ich fand das Silly-Putty-Ei in Gingers Kindergartenrucksack.«
»Großer Gott« stöhnte ich, plötzlich wieder hellwach, als hätte mich ein Skorpion gestochen. »Auf dem Ding steht ›XXX‹, stimmt’s«
»Stimmt.«
Ginger war drei! Sie glaubte an Feen. Sie trank Saft und Milch. Sie schlief mit einem Stoffpinguin. Sie fürchtete sich vor Eulen. Und dann legt sie ein pornografisches Ei - das ich ihr gegeben hatte - in ihren kleinen violetten Blümchenrucksack. Das lag mir schwer auf dem Herzen. Es zwang mir nicht einmal ein müdes Lächeln ab. An der Sache konnte ich keine subversive Ironie erkennen. Ich fühlte mich wie ein Vater, der echt Mist gebaut hatte.
»Glaubst du, dass sie es herumgezeigt hat?«
»Eher nicht«, sagte Annie. »Das hätten wir wohl erfahren.«
»Ja, von der Polizei.«
»Das merken wir uns also«, verkündete Annie. »Alles, was nur im Geringsten mit der Sexbranche zu tun hat, halten wir in Zukunft von unseren Kindern fern.«
Bisher hatten wir ja gerade mal einen Bruchteil der Strecke geschafft, doch meine Kollegen bestaunten unsere Leistung schon lautstark.
»Wie, zur Hölle, erhaltet ihr die Spannung aufrecht?«
»Seid ihr nicht erschöpft?«
»Habt ihr je dran gedacht, noch andere Leute dazuzuholen, um die Sache ein bisschen aufzupeppen?«
Gut, ein wenig schlapp fühlte ich mich schon, aber Gruppensex? Das würde mich bestimmt aufwecken, aber auch bis zum Lebensende verfolgen.
»Keine Chance«, antwortete ich. »Das gehört nicht zum Abenteuer.«
Annie und ich kannten Eifersucht - wie wohl fast alle Menschen. Ich hatte mal Artikel über Leute geschrieben, die Polyamory lebten. Bei dieser Praxis unterhält man gleichzeitig mehrere Liebesbeziehungen, mit dem Einverständnis der Partner. Es geht hier nicht um Partnertausch, sondern um tiefe Beziehungen mit Liebesbriefen, Rosensträußen und verliebtem Telefongeflüster bis zum Morgengrauen.
»Warum sollte man dieses herrliche Gefühl, sich neu zu verlieben, aufgeben, nur weil man einen Partner fürs Leben gefunden hat?«, fragten die »Polys«, als ich sie interviewte. Antwort: Weil dann bald das ganze Land flennend oder stinkwütend (oder beides) herumlaufen würde.
Wenn Annie eine Beziehung mit einem anderen anfinge, würde ich ganz sicher flennen. Anlässlich meiner Recherchen besprachen auch Annie und ich, ob die ganze Swingeridee etwas für uns wäre. Es war ein kurzes Gespräch:
»Mit einer ›offenen Beziehung‹ könnte ich nicht umgehen«, sagte Annie. »Ich würde mir irgendwie nicht mehr besonders vorkommen.«
»Glaub mir, das wäre auch überhaupt nichts für mich«, antwortete ich. »Du im Bett mit einem anderen? Selbst wenn wir aus irgendeinem verrückten Grund so was ausmachen würden, ich käme nicht damit klar. Ich glaube, ich könnte dann nicht mit dir verheiratet bleiben. Ich würde daran zerbrechen.«
»Ich auch.«
Nackte aus Fleisch und Blut würden sich also nicht zu uns gesellen. Wohl aber auf Video - obwohl Annie auf der
Pornomesse diese Entscheidung schon zu bereuen begann, nachdem sie immer und immer wieder mit angesehen hatte, wie Neandertaler mit Pringles-Dosen sich auf ballonbrüstige Frauen stürzten.
»Und das törnt Frauen an, weil …?«, wiederholte sie beim Gang über die Messe kopfschüttelnd.
Doch wie auch immer, wir staubten dort ein paar Gratis-DVDs ab, und sei es nur, weil wir beide fest an das Motto »Gratis ist geil« glaubten. Kostenlose Käsewürfel, Gratiskaffee, geschenkte Schlüsselbänder, T-Shirts, Frisbees, pornografische Silly-Putty-Eier, Pussy-Feuerzeuge: Wenn was gratis war, nahmen wir es.
Am Abend, als die Kinder schliefen und von sprechenden Lämmern und Delfinen mit Zylinder träumten, legten wir eine Porno-DVD in den Player. Bald erschienen Höhlenmenschen mit Pringles-Dosen
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