100 Tage Sex
Anfänger - mit drei Jahren! Hollywood, wir kommen! Joni, die schon etliche Theatercamps hinter sich hatte, belegte »Zirkusakrobatik«. Dort waren Eltern nicht willkommen, also blieben wir bei Ginger. In dem kleinen Raum drängten sich etwa ein Dutzend weitere Eltern, ihre Kinder und eine fast schon gewagt ökodynamische Lehrerin. Im Schneidersitz saßen wir da, formten einen Kreis und stellten uns den anderen Müttern und Vätern vor. Ich glaube nicht, dass meine Eltern so etwas je gemacht hätten. Während ich (Danke, Yoga!) in vorbildlichem Schneidersitz dasaß, erregte eine Mom meine Aufmerksamkeit. Make-up, lange, perfekt sitzende Haare, enge Jeans, Ballonbrüste, glänzende Lippen. Ein Pornostarlet?
Die Ökotante versuchte, die herumtapernden Kleinkinder zu bewegen, ihre Fantasie zu bemühen und sich in
etwas zu verwandeln: Könige, Elefanten, was auch immer. Später im Kurs wurden die Eltern zum Mitmachen aufgefordert, und ich spielte eine Hexe. (Nur flüsternd und in Klammern sollte ich gestehen, dass es mir tatsächlich Spaß gemacht hat, vor meinem jungen Publikum hämisch zu kichern, auf einem Besen zu reiten und im Kessel zu rühren.) Während die Kinder herumkrochen und miauten wie kleine Kätzchen oder mit den Armen flatterten wie Vögel, schielte ich gelegentlich auf die prallen Kissen in der Bluse des Pornostars hinüber. Ich erhaschte ein gelegentliches Wippen; schließlich zeichnete sich der Umriss einer Brustwarze ab. Als die Frau aufstand, musterte ich natürlich ausführlich ihren Hintern. Dankenswerterweise lag ihre enge Jeans an wie Frischhaltefolie.
Vermutlich doch nicht aus der Branche, dachte ich. In Denver wird nicht viel Porno produziert. Aber Begleitservice. Professioneller Begleitservice. Sie schaltet ihr Handy garantiert nie aus. Diese Frage beschäftigte mich für den Rest der Stunde: In welchem Bereich der Sexbranche arbeitete sie?
Später gab Annie zu, dass ihre Gedanken in eine ähnliche Richtung gewandert waren. Allerdings waren sie nicht um die Pornobranche gekreist, sondern um die Genitalien der anderen. Als wir alle im Kreis saßen und Backe, backe, Kuchen spielten, konnte Annie nicht aufhören, sich auszumalen, was die Erwachsenen unter ihren Jeans und Pullovern versteckten. Nach zwei Wochen Sex sah ich Pornostars und Annie stellte sich Geschlechtsteile vor. Wie sollte das weitergehen? Würden wir gegen Ende des Marathons die Kurven von Wolken und Kleinwagen anhecheln?
Von einer Vergnügung für die ganze Familie ging es direkt zur nächsten: einkaufen. Kaufhaus. Weinladen. Lebensmittelgeschäft. Stundenlang zogen wir durch fensterlose Gänge statt über luftige Bergpfade. Leichte Bergtouren fielen ganz klar in die Kategorie »Vergnügungen für Erwachsene«, zum Missfallen der Kinder mussten sie aber meistens mit. Schließlich wollten wir sie ja fördern und fordern; wir betrachteten unsere Wochenendwanderungen als Gottesdienst unserer »Familienreligion«. Später würden die Kinder es zu schätzen wissen, dass wir sie die Liebe zur Natur gelehrt hatten. Hofften wir zumindest.
Doch eine übernatürliche Macht zog uns auf unserem Weg ins Gebirge vom Highway auf den Parkplatz der Shopping Mall. Eine verstörende Kraft, schwarze Magie, verleitete uns, den Zauber der Wildnis gegen die traurigen Freuden eines Einkaufsbummels einzutauschen. Die Kinder brachen in wilden Jubel aus.
Ein paar Stunden lang kurvten wir mit gigantischen Einkaufswagen trostlose Gänge hinunter, verschlangen - immer unserem Motto »Gratis ist geil« folgend - Proben von allem Möglichen, packten Kartons und Taschen, Gläser und Flaschen ein und standen in endlosen Schlangen mit hibbeligen Kindern. Auf der Rückfahrt träumte ich von den einfachen Freuden in unserer heimeligen Lustgrotte.
Die häuslichen Vergnügungen liefen auf altbekannte Art ab, mit Höhen (Bücher lesen, Film ansehen, gemeinsam spielen und herumalbern) und Tiefen (Zähne putzen, zu Bett gehen). Sobald die Kinder schliefen, drehte ich das Heizgerät im Schlafzimmer auf, zog Shorts und T-Shirt an und machte Hanteltraining, Bauchmuskelübungen und
Liegestützen, während Annie im Wohnzimmer herumwerkelte.
»Sieht gut aus«, sagte sie, als sie die Höhle betrat.
»Das soll es ja auch«, keuchte ich und zog die Hantel ein letztes Mal an. Danach legte ich mich auf den Rücken und machte fünfundsiebzig Crunches in fünf Abschnitten zu jeweils fünfzehn. Am Ende fühlten sich meine Bauchmuskeln an, als hätte man Schwefelsäure
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