100 Tage Sex

gefüllt zu werden. Jetzt hingegen war jeder Tag schon mehr oder weniger verplant, wenn wir in der Früh die Augen öffneten. Und natürlich widmeten wir den Großteil unserer Zeit nicht unserem Amüsement, sondern Arbeit und Kinderaufzucht. Wir lieben unsere Kinder und würden nie unsere sehr beschränkte Welt gegen ein Leben ohne sie eintauschen. Gleichzeitig ließ sich nicht
abstreiten, dass wir auf dem Altar der Kinderaufzucht eine Menge Vergnügungen für Erwachsene geopfert hatten.
    Wenn einem Tag für Tag nur ein Zeitalmosen für eigene Interessen übrig bleibt, muss man streng aussieben. Es ist neun Uhr an einem Dienstagabend, und man hat endlich Zeit für sich. Es bleiben vielleicht eineinhalb Stunden, bis man einschläft. Jetzt könnte man Backgammon spielen, fernsehen, lesen, reden oder miteinander schlafen. Und von all diesen Tätigkeiten erfordert nur eine körperliche Anstrengung und eine gewisse, manchmal schwierige emotionale Intimität: Sex.
    Seit die Kinder da waren, hatten Annie und ich dieses Erwachsenenvergnügen an Wochentagen mehr oder weniger gestrichen. Genau genommen, hatte der Wochentagssex vorher schon abgenommen, meistens waren wir nach einem Arbeitstag beide zu erschöpft. Doch nun hatten wir vierzehn Tage hintereinander Sex gehabt, oft nach anstrengenden Tagen. Wie hatten wir das nur fertiggebracht?
    Bisher hatten wir auch kaum weniger Zeit mit den Kindern verbracht als vor dem Marathon. Unseren fleischlichen Genüssen widmeten wir uns hauptsächlich während unserer »Freizeit« zwischen dem Zubettgehen der Kinder und unserem eigenen Aufbruch ins Traumland. Wir opferten dem regelmäßigen Sex also nicht viel mehr als unsere etwas ziellosen Abende. Im Bett sitzen und in Zeitschriften blättern, Bücher lesen, durch die Fernsehkanäle zappen, Videos ansehen, im Internet surfen - darauf beschränkten sich unsere abendlichen Vergnügungen, und ehrlich gesagt, passte mir das prima. Jeden Tag rangen wir mit der Erschöpfung, jeden Abend ersehnten wir ein gemächliches Hinübergleiten ins Schlummerland.

    So willkommen die Änderung unserer abendlichen Routine während des Marathons auch war, sie fiel uns nicht leicht. Nach einem Tag in der Tretmühle kostete es uns manchmal ziemlich viel Kraft, noch mal eine Schippe draufzulegen anstatt glücklich wegzudämmern. Doch die hellen Freuden des Marathons übertrafen diejenigen des schnellen Wegdriftens in die Dunkelheit um Längen. Sex kann tatsächlich die Müdigkeit besiegen, wenn er eine Chance bekommt. Anfang der dritten Woche begann mich eine andere Frage zu beschäftigen: Und wenn es uns langweilig würde? Angesichts der großen Menge Sex, die wir im Laufe unseres Abenteuers bereits absolviert hatten, fürchtete ich, Annie könnte sich irgendwann einmal denken: Oje, schon wieder Sex. Gähn. Ich war ihrer hüpfenden Brüste und ihres honigsüßen Herrschaftsgebiets nicht überdrüssig geworden, aber ich fragte mich, ob es irgendwann vielleicht doch passieren könnte. Nie zuvor war ich diesen Teilen ihrer Anatomie gleichgültig begegnet, andererseits hatte ich sie auch nie zuvor so regelmäßig erforscht.
    Wir hatten angefangen, uns wieder miteinander zu beschäftigen, und damit unseren mittleren Jahren etwas Neues hinzugefügt. Wir erkannten: Bedürfnisse müssen befriedigt, nicht unterdrückt werden. Indem wir uns gegenseitig verwöhnten, stärkten wir unsere Bindung. Egal, wenn uns deswegen etwas weniger Zeit mit den Kindern bleiben sollte - schließlich gibt es für Kinder nichts Schlimmeres, als wenn die Ehe der Eltern langsam den Bach runtergeht.
    »Weißt du, was wir tun?«, fragte Annie. »Wir raufen uns im Bett zusammen.«

    An diesem Tag passte eine Babysitterin, eine Yogalehrerin namens Vicki, auf die Kinder auf, während wir ausgingen, um uns über unsere Fortschritte beim Marathon zu unterhalten. Das nahe gelegene Edelrestaurant Stapleton kam dafür nicht infrage, denn dort wimmelte es derart von Kindern, dass es eine eigene Spielecke mit Spielzeug, Kissen und Bilderbüchern brauchte. Wie soll einem der 24-Dollar-Lachs mit Zitronengras-Kokosnussglasur schmecken, wenn der kleine Jimmy und sein Bruder Caleb am Boden Lastwagen herumschieben und Melanie als Spiderwoman durch den Raum saust? Auch das einzige Café der Gegend, natürlich ein Starbuck’s, befand sich fest in der Hand von Familien. Wir suchten etwas, fern von dieser Welt, einen Ort, an dem es nicht genauso zuging wie bei uns zu Hause. Wie Forschungsreisende in einem