1000 - Der Terraner
Erwachsenen eines Tages aufhören, ihre Kinder für das Leben in einer Welt kausaler Vorgänge zu erziehen, würde die Phantasie der Kinder vielleicht ausreichen, etwas von diesen Wundern und Abenteuern in das Erwachsenenleben hinüberzuretten - und die Welt wäre eine völlig andere.
Die Welt der Kinder ist eine Welt voller Buntheit und Abwechslung. Die Träume der Kinder gehen ihre eigenen Wege. Schau einem Kind in die Augen und versuche nachzuvollziehen, was es fühlt. Versuche zu begreifen, was in dem Kind vorgeht, und wenn du Glück hast, wirst du einen Hauch von der Welt der Kinder spüren. Es wird dich beunruhigen, denn du wirst spüren, daß du irgend etwas Kostbares verloren hast, irgendwann an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein.
Die Welt der Kinder ist für dich eine fremde Welt, denn du bist gefangen in einem Alltag, der dir keine Zeit läßt, dich zu erinnern. Überprüfe, was du tust, zwinge dich, ernsthaft darüber nachzudenken, und erkläre dann den Unterschied zwischen dir und einem bloßen Mechanismus. Ist dein Geist noch beflügelt genug, daß er dich in jene Fernen entführt, die du als Kind erlebt hast? Kannst du den Notwendigkeiten des Augenblicks entrinnen und dein Bewußtsein öffnen für die Stimmen deiner unsichtbaren Umgebung? „Ich konnte nicht ahnen", sagte Carfesch, „daß es die Kinder sind."
Die Welt der Kinder läßt es zu, daß Dinge geschehen, die einem Erwachsenen unlogisch erscheinen. Kinder können dir zwei Geschenke machen, die, wenn in dir noch nicht alles gestorben ist, unglaublich kostbar sind: Zuneigung und Vertrauen. Erst durch das Eingreifen der Erwachsenen verändert sich die Welt der Kinder, sie wird farblos und traurig. Die Kinder, wüßten gerne, auf welche Weise eine Pflanze oder ein Tier zu ihnen sprechen kann, aber die Erwachsenen halten das nicht für möglich und zwingen ihre Kinder, etwas völlig anderes zu erlernen. Die Kinder spüren das Universum in sich pulsieren, aber die Erwachsenen halten das nicht für möglich und zwingen ihre Kinder, dieses Gefühl Zu verdrängen. „Was für eine Tragik", bestätigte ES, „daß die Kinder weiser sind als die Erwachsenen."
„Was sollen wir nur tun?" fragte Carfesch. „Wir können diesem Kind keinen Aktivator übergeben."
„Ich werde dieses kleine Wesen zu mir holen - für einen kurzen Augenblick", antwortete ES. „Ich werde es durch das Fenster zum Kosmos blicken lassen und dafür sorgen, daß das Feuer niemals in ihm erlischt."
Die Welt der Kinder ist auf ihre Art genauso wirklich wie die Welt der Erwachsenen. In seiner Phantasie und in seinen Träumen kann ein Kind die Welt der Erwachsenen verlassen. Es kann einen Blick tun in die unbekannten Tiefen des Universums ...
*
ES berührte den Jungen mit so großer Behutsamkeit, daß er die mentale Berührung kaum spürte. Das Geisteswesen wunderte sich, daß der so plötzlich aus seiner Umgebung gerissene Mensch keine Furcht zeigte. In der großen Kuppelhalle schien es ihm lediglich ein bißchen kalt zu sein. Mit seinen tropfnassen Hosen und Schuhen hinterließ der Ankömmling eine Spur am Boden, die jedoch schnell auftrocknete. „Bist du sehr erschrocken?" erkundigte sich ES.
Der Junge schaute sich mit großen Augen um. „Nein", antwortete er. „Wo bin ich hier, und was bedeuten all diese Maschinen?"
„Ich muß gestehen", sagte ES, „daß du uns in eine schwierige Lage gebracht hast. Wir hatten uns schon damit abgefunden, daß wir den zweiten Träger niemals finden würden.
Nun haben wir ein Kind entdeckt. Es macht uns Sorgen, wie deine Artgenossen sich verhalten. Wenn du eines Tages erwachsen sein wirst, müssen wir dir eine Reihe von Prüfungen auferlegen, bevor du den Aktivator erhältst, denn es ist immerhin möglich, daß die Kosmokraten sich getäuscht haben."
„Wann werde ich erwachen?" erkundigte sich der Junge. „Erwachen?" echote ES verständnislos. „Dies ist doch ein Traum, nicht wahr?"
„Ja", kam die zögernde Antwort. „Dies ist ein Traum, an den ich dir die Erinnerung nehmen muß, bevor ich dich zu deiner Welt zurückbringe. Doch bevor dies geschieht, werde ich das Fenster zum Kosmos für dich auf stoßen."
Obwohl er vor Kälte schlotterte, durchquerte der Junge die Halle, um sich alles gründlich anzusehen. Dabei entdeckte er Carfesch, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. „Muß er seine Nase in alles hineinstecken?" wandte sich der ehemalige Diplomat ärgerlich an ES. „Das scheint so seine
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