1.000 Euro für jeden
Kesselflicker, den Ziegelmacher und den Schuhmacher, die jetzt mehr Aufträge haben, aber sie verströmen nicht im selben Maße Aufbruchstimmung, Freiheit und Würde wie die Frauen. Es scheint wie bei den Mikrokrediten zu sein, Frauen machen mehr daraus. Nur anders als bei den Mikrokrediten erhöht das BIG die Kaufkraft aller, vor allem der Frauen, die auch die Gelder der Kinder verwalten, was ihren Familien zugute kommt.
Wenige Männer finden draußen regelmäßige Arbeit, weite Fußmärsche von den Familien entfernt. Viele hatten zu Zeiten bitterer Armut ihre Frauen und Kinder im Dorf zurückgelassen. Und seit es das BIG gibt, müssen diese ihre Männer nicht mehr ausfindig machen, damit die ihnen Geld zum Leben oder für andere Dienste geben. Die Restfamilie erlebt diese Zustände wie eine Befreiung.
»Die Ergebnisse haben unsere kühnsten Hoffnungen übertroffen und haben die Skeptiker in ihren wesentlichen Kritikpunkten widerlegt«, so Herbert Jauch. Er ist heute optimistisch, was die Wiederaufnahme des Projekts betrifft: »Die Regierung mag noch skeptisch sein, aber wir haben uns noch zwei Jahre gegeben, dann wollen wir das durchhaben.«
Bertha Hamases, unser Guide, macht sich dennoch Sorgen, was die Zukunft bringt. Man würde die große Unsicherheit aufziehen spüren, jetzt wo es nur das Übergangsgeld gebe, das eben schon nicht mehr ganz ausreiche, all die Errungenschaften zu verteidigen. Zudem sei immer noch niemand von der Regierung vorbeigekommen, um sie nach ihren Erfahrungen zu befragen.
Nun ist die SWAPO gefordert. Im November 2009 hat sie sich mit einer komfortablen Zwei-Drittel-Mehrheit zur Siegerinder Wahlen erklärt. Vor der Wahl wollte sie sich nicht zum BIG äußern. Nach der Wahl auch nicht. Die Regierung wird es aber nicht leicht haben, die Verbesserung des Lebens durch das BIG in Otjivero zu ignorieren. Der Bischof und die BIG-Koalition lassen keinen Zweifel an ihrer Kampfbereitschaft. Und das Komitee im Dorf ist willens, durch das ganze Land und den gesamten Kontinent zu reisen und für das BIG zu werben.
Das Modellprojekt wurde durch eine Untersuchung begleitet, die sich auf Interviews mit BewohnerInnen, mit Menschen an exponierten Positionen wie der Schulleiterin sowie auf Krankenstatistiken und Polizeiberichte stützte. Die Ergebnisse sind überaus beeindruckend:
• Es gibt keinen einzigen Fall von Unterernährung – zuvor mussten monatlich drei bis vier Kinder ins Krankenhaus eingeliefert werden. Generell sind die Voraussetzungen für Gesundheit enorm verbessert, auch für AIDS-Behandlungen, denn seit die Menschen besser ernährt sind, vertragen sie auch die starken Medikamente.
• 90 Prozent der Kinder gehen in die Schule, und 90 Prozent der Eltern, die BIG bekommen, bezahlen das Schulgeld.
• Lagen vor Projektbeginn 76 Prozent aller Haushalte unter der Armutsgrenze, sind es jetzt noch 36 Prozent.
• Es gibt Ansätze zu Kooperationen wie gemeinschaftlichen Ziegenkauf.
• Die ökonomische und sexuelle Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern ist deutlich gesunken.
• Diebstahl und Beschaffungskriminalität nahmen ab, ein Anstieg von Alkoholismus ist nicht feststellbar. Da hat das Komitee ein bisschen nachgeholfen – am Tage der Auszahlung bleiben die Bars geschlossen.
Die Studie, mitfinanziert von der Friedrich-Ebert-Stiftung, kommt zu dem Schluss, dass »auf den Erfahrungen von Otjivero-Omitara basierend, man auf der sicheren Seite argumentieren kann, dass das BIG Armut und Arbeitslosigkeit reduzieren, ökonomische Aktivitäten und Produktivität steigern, Bildung und Gesundheit für die meisten Namibier verbessern wird«. In ihr wird zudem die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens für alle in Namibia aufgezeigt. Ganz nebenbei würde Namibia dadurch die Millenniumsziele erreichen, denen es sich verpflichtet hat.
Das BIG ist weder in Namibia noch anderswo ein Allheilmittel, und es ersetzt keine Arbeitsplätze, keine unkorrupte Regierung, keine funktionierende Bildung und keine Stromversorgung. Aber es hat Ideen freigesetzt, zur »Befreiung des Geistes« geführt, wie Bischof Kameeta sagt.
Es ist unübersehbar, dass das BIG noch so viel mehr bewirkt hätte, wenn Schulen wirklich frei wären, so wie in der Verfassung garantiert, oder wenn Entwicklungshilfe wirklich greifen würde. Otjivero hätte im Rahmen des zweijährigen Pilotprojekts nachhaltige Strukturen entwickeln können, wenn Transport- und Energiekosten nicht einen großen Anteil der Einkommen
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