1001 - Der Alptraum beginnt
auf dem Beifahrersitz liegen. Seine Spitze verschwand in der Dunkelheit des Fußtunnels. Ansonsten schimmerte der schmale Goldreifen in der Mitte in einem fast weichen Licht.
Die Erinnerung war wieder zurückgekehrt, und ich gestand mir selbst ein, daß es mir auf keinen Fall besserging. Ich hatte Durst, auch Hunger, und ich parkte weiterhin in der Einsamkeit.
Obgleich es dunkel und auch kühl war, blieb ich nicht länger im Auto sitzen. Ich wollte mich bewegen, um die Steifheit aus meinen Gliedern zu vertreiben.
Draußen wehte ein kalter Wind. Auf dem Rastplatz stand ich nach wie vor allein. Wenn ich in Richtung Süden schaute, sah ich einen helleren Schimmer unter dem Himmel. Dort malte sich der Widerschein ab, den die große Stadt Toulouse ausstrahlte. Es war fast vier Uhr am Morgen. Bis Alet-les-Bains hatte ich noch eine ziemliche Strecke zu fahren. Die Straßen ließen höhere Geschwindigkeiten jedoch nicht zu.
Den Namen Alet-les-Bains verband ich natürlich mit meinen Templer-Freunden. Vor allen Dingen mit dem Anführer Abbé Bloch.
Er würde Augen machen, wenn ich plötzlich bei ihm auftauchte. So überlegte ich, ob es nicht besser war, wenn ich ihn zuvor anrief, auch um diese frühmorgendliche Zeit.
Nach einer kurzen Gymnastik fühlte ich mich besser, obwohl Hunger und Durst geblieben waren, das aber ließ sich ertragen. Das Handy steckte noch in meiner Jackentasche. Ich holte es hervor, blieb am Wagen stehen und wählte die Nummer des Templersitzes.
Die meisten schliefen natürlich, aber einer hielt stets Wache, denn die Templer hatten Feinde. Schon oft genug hatten sie sich in dem kleinen Ort gezeigt.
Es dauerte eine Weile, bis die Verbindung aufgebaut war. Dann meldete sich eine neutral klingende Männerstimme und fragte:
»Wer spricht dort, bitte?«
Ich nannte meinen Namen.
»Oh, Monsieur Sinclair.«
»Ich weiß, daß es sehr früh ist, aber wäre es trotzdem möglich, den Abbé zu sprechen?«
»Ich werde Sie verbinden.«
»Aber er wird schlafen und…«
»Das weiß man nicht. Im Vertrauen, Monsieur Sinclair, der Abbé ist sehr unruhig gewesen, als hätte er Ihren Anruf erwartet. Er ahnte wohl, daß die Nacht noch kürzer sein würde.«
»Da hatte er recht.«
»Einen Moment noch – ja?«
»Gut, ich warte.«
Schon bald vernahm ich die vertraute und auch frisch klingende Stimme des Templer-Führers. »Ich grüße dich, John, und ich habe deinen Anruf schon erwartet. Ob du es glaubst oder nicht.«
»Doch, ich glaube dir. Schließlich habe ich dir meinen Ausflug zu verdanken.«
»Ja, das ist wohl richtig. Ich nehme an, daß du zu uns willst.«
»Stimmt.«
»Wo bist du?«
Ich erklärte es ihm.
»Dann zögere nicht länger und komm.«
Mit dieser Aufforderung hatte ich zwar gerechnet, wollte sie aber nicht kommentarlos hinnehmen und sagte mit leiser Stimme: »Was ist überhaupt geschehen, Abbé? Ich bin hier in eine Sache hineingeraten, bei der mir der Durchblick fehlt. Ich weiß nicht mal die Hälfte. Du kennst mich. So etwas macht neugierig. Außerdem habe ich ein Schwert bekommen. Eine Waffe, die einmal König Salomo gehört hat. Angeblich, denn genau weiß ich es nicht.«
»Das wird sich alles klären, wenn du bei uns bist.«
»Alles?« fragte ich.
Ich hörte ihn tief einatmen. »Nein, nicht alles, aber du wirst deinen Weg gehen müssen. Es ist einfach die große Chance, an die Lade heranzukommen.«
»Durch mich?« Ich lachte über mich selbst. »Das habe ich schon einmal versucht. Gelungen ist es mir nicht.«
»Diesmal sind die Verhältnisse anders, John. Wir sollten nicht mehr länger reden.«
Ich räusperte mich. »Ja, es ist okay. Machen wir es so. Ich habe auch etwas geschlafen und fühle mich wieder besser.«
»Das ist sehr vernünftig, John. Auf dich wartet dann ein gutes Frühstück.«
»Danke, Abbé. Wenigstens ein Lichtblick in dieser trostlosen Zeit. Bis nachher dann.« Ich schaltete das Gerät wieder ab und steckte es ein.
Es ging mir innerlich wieder besser, als ich in den Leihwagen kletterte. Automatisch war mein Blick dabei über das Schwert gestreift, und ich fragte mich, was es mir bringen würde. Eigentlich gab es nur zwei Alternativen. Entweder den Sieg oder den Tod!
***
Etwas schlug immer wieder gegen Horace F. Sinclairs linke Stirnseite. Ein kleiner Hammer mit einer scharfen Spitze oder was immer es auch sein mochte. Nicht so schlimm, nicht tragisch im Normalfall, aber Sinclair empfand es schon als störend, und er wollte sich auch dagegen
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