1001 Kuss - und dann Schluss
seinem dreizehnten Geburtstag, als Ra’id ihm alles erklärt hatte, wusste er, dass er eines Tages den Thron übernehmen musste. Nun war es an der Zeit, zur Isla de Sinnebar zurückzukehren, sich in wehende Gewänder zu hüllen und seinem Land zu dienen. Dafür musste er seine Freiheit aufgeben. Ihm fiel das nicht schwer, aber ein Freigeist wie die ehrliche und hochanständige Lucy Tennant hatte etwas Besseres verdient als einen Mann, der sich ausschließlich dem Wohl seines Landes verschreiben musste.
„Razi?“ Tom wartete auf eine Antwort.
Schuldgefühle und Sehnsucht durchzuckten ihn. Es schmerzte ihn so sehr, Lucy zu verlassen. Dieser Schmerz würde ihn wohl ein Leben lang begleiten. Ihr liebes, vertrauensvolles Gesicht erschien vor seinem geistigen Auge. „Wenn sie irgendetwas braucht – einen Job, eine Referenz …“ Tom und er waren fast so vertraut wie Brüder, und er musste ihm nichts erklären.
Niedergeschlagen reichte er Tom eine schlichte Visitenkarte, die er unterschrieben hatte. „Die gibst du ihr bitte, Tom.“ Bevor Tom reagieren oder er selbst seine Meinung ändern konnte, gab er dem Piloten das Zeichen zum Abheben.
Erschöpft sank Lucy aufs Bett. Aber was war das? Als sie die Nachttischlampe anknipste, bemerkte sie ein Bündel Geldscheine auf dem Nachttisch. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht gewusst, dass es überhaupt Fünfhunderteuronoten gab. Jetzt stapelten sie sich in Reichweite.
Das mussten mehrere Zehntausend sein. Fassungslos starrte Lucy das Geld an. Eine eisige Hand schien ihren Magen zu umklammern, als Lucy begriff, von wem das Geld stammte. Es war offensichtlich. Mac war nicht mit den anderen Männern zurückgekehrt. Auch seine beiden Leibwächter waren verschwunden. Sie wusste zwar nicht, wer er wirklich war, und sie wollte es auch gar nicht wissen, aber ihr war klar, dass der unglaublich reiche Mac in die Welt zurückgekehrt war, zu der er gehörte und ihr ein kleines Vermögen auf den Nachttisch gelegt hatte. Als könnten die Banknoten die Risse ihres gebrochenen Herzens kitten.
Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Verzweifelt wandte sie sich ab und versuchte, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Die anderen Männer durften nichts von ihrem Kummer bemerken. Lucy schluchzte einmal auf und redete sich ein, sie hätte bekommen, was sie verdiente. Sogar noch viel mehr. Mit dem Geld könnte sie ihr eigenes Restaurant eröffnen …
Doch auch diese Vorstellung half ihr nicht über den Verlust hinweg. Bis ans Ende ihrer Tage würde Mac ihr fehlen. Emotional völlig ausgelaugt legte sie sich ins Bett und zog die Decke bis ans Kinn. Doch ihr wurde einfach nicht warm. Zitternd und schlaflos dachte sie nach. Ein Leben ohne Mac war leer. Ihre Welt hatte sich von einem Tag auf den anderen verändert – durch das Bild, das Mac von ihr hatte, und durch seine Abfindung.
Am Saisonende standen unweigerlich Veränderungen ins Haus – und zwar grundlegende. Denn Lucys Schwangerschaftstest fiel positiv aus.
Sie lehnte sich an die Badezimmerwand und schloss die Augen. Kurz darauf riskierte sie einen zweiten Blick. Die verräterische blaue Linie war noch immer da. Nun war ja klar, woher die plötzliche morgendliche Übelkeit und das veränderte Körpergefühl rührten. Seit einiger Zeit hatte sie das Gefühl gehabt, nicht mehr allein zu sein. Kein Wunder!
Fast ehrfürchtig strich sie sich über den – noch – flachen Bauch und empfand ein tiefes Glücksgefühl. Schon jetzt liebte sie dieses kleine Wesen, das sie unter dem Herzen trug und wollte es mit allen Mitteln beschützen. Jetzt hatte sie wieder einen Menschen, den sie lieben durfte und von dem sie hoffentlich auch Liebe bekommen würde. Bald hätte sie ihre eigene kleine Familie.
Und Mac?
Musste er überhaupt etwas davon erfahren?
Der Stapel Banknoten fiel ihr ein, die Art und Weise, wie er sie verlassen hatte. Tom hatte ihr seine Visitenkarte überreicht. Das war der Gipfel gewesen. Nein, er verdiente es nicht, über dieses Wunder informiert zu werden.
Doch so tief der Schmerz auch war, den er ihr zugefügt hatte, sie würde Mac immer lieben. Sein Abgang war abscheulich gewesen, doch die wenigen schönen Erinnerungen an diesen Mann überwogen. Es war sinnlos, dagegen anzukämpfen. Allerdings verstand sie bis heute nicht, warum er sich nicht wenigstens persönlich von ihr verabschiedet und stattdessen Tom vorgeschickt hatte.
„Man weiß nie, wozu es gut ist“, hatte Tom mitfühlend gesagt, als er ihr den
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