1001 Kuss - und dann Schluss
versiegelten Umschlag ausgehändigt hatte.
„Ich brauche nichts von Mac“, hatte sie mit versagender Stimme behauptet und den Umschlag tief in ihre Schürzentasche geschoben.
„Vielleicht brauchen Sie mal einen Job?“ Tom hatte ihren Schmerz gespürt und wollte ihn lindern.
„Nein, nichts.“ Damit hatte sie sich wieder ihren Aufgaben gewidmet.
Der Umschlag lag noch immer ungeöffnet im hintersten Ende der Nachttischschublade.
Immerhin weiß ich jetzt, was ich mit dem Geld anfangen werde, dachte Lucy. Noch lag es sicher verwahrt im Safe der Chaletverwaltung. Nachdenklich warf sie den dritten Schwangerschaftstest fort, den sie heute Morgen gemacht hatte. Es gab so unendlich viel zu bedenken. Sie konnte wohl kaum mit einem Baby im Arm bei ihren Eltern auftauchen. Sie brauchte ein eigenes Haus mit Garten, wo die Kleine spielen konnte. Sie war überzeugt, ein kleines Mädchen unter dem Herzen zu tragen. Ja, und dann musste sie über ein eigenes Restaurant nachdenken. Anfangs wollte sie noch als Angestellte arbeiten, doch schon bald könnte sie sich selbstständig machen. Wenn die Kleine aus dem Gröbsten heraus war.
Ich werde Mutter, dachte sie staunend.
Die Vorstellung erfüllte sie nicht nur mit überwältigender Freude, sondern beflügelte auch ihren Ehrgeiz. Jetzt gab es jemanden, für den sie kämpfen konnte. Am besten richtete sie gleich ein Ausbildungssparkonto ein, damit es ihrer Tochter auch während des Studiums an nichts fehlen würde.
Und Mac?
Sie musste ihm wohl doch Bescheid sagen. Natürlich erwartete sie nichts von ihm, aber er sollte wenigstens wissen, dass er Vater wurde. Diese Chance musste sie ihm geben.
R. Maktabi. Geschäftsführer Maktabi Communications.
Ungläubig betrachtete Lucy die schlichte Visitenkarte, die sie aus ihrer Sockenschublade gezogen hatte. Die Ironie war unglaublich: Mac und Kommunikation! Selten so gelacht! Immerhin waren drei Telefonnummern vermerkt, in London, New York und im Arabischen Golf. Isla de Sinnebar – nie gehört, dachte Lucy. Allerdings erklärte das Macs exotisches Aussehen.
Ratlos zuckte sie die Schultern und beschloss, zunächst die Londoner Nummer zu wählen. Mac sei nicht da, teilte ihr eine Sekretärin frostig mit. Sie sah die Frau förmlich vor sich, wie sie zum Eisblock erstarrte, als eine andere Frau Mac sprechen wollte.
In diesem Moment ging Lucy auf, dass Mac die Abkürzung seines Nachnamens war. Wahrscheinlich benutzten nur wenige Frauen dieses Kürzel. Jedenfalls hatte dieser Drachen offenbar sofort einen falschen Eindruck von ihr.
„Dann entschuldigen Sie bitte die Störung“, sagte Lucy und legte den Hörer auf.
Auch in New York war Mac nicht zu erreichen. Aber das Beste hatte sie sich ja bis zum Schluss aufgehoben. Sie schloss die Augen und sah ein Wüstencamp vor sich, mit wehenden weißen Zeltplanen und Gewändern. Blitzschnell schob sie das Bild von sich, als vor ihrem geistigen Auge bildhübsche Frauen auftauchten, die in bunte Gewänder gehüllt waren und Mac, der auf Seidenkissen lag, mundgerechte Köstlichkeiten servierten. Nein, das wollte sie sich lieber nicht vorstellen.
„Sie wünschen einen Termin mit dem Geschäftsführer von Maktabi Communications?“, fragte ein sehr höflicher Mann mit der sanftesten Stimme, die Lucy je vernommen hatte. „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein.“
Lucy hatte die Nummer auf der Isla de Sinnebar gewählt. „Aber er ist doch da, oder?“ Vor Aufregung hatte Lucy die Karte in ihrer Hand zerknüllt. „Wenn er da ist, würde ich ihn gern sprechen.“ So leicht ließ sie sich nicht abweisen. Ihr fiel ein, wem sie ihr neues, mutiges Auftreten verdankte. „Es ist wirklich äußerst wichtig.“
„Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit Sie ihn zu sprechen wünschen?“
Mac war also da. Sie hatte es doch gewusst! Aufgeregt hielt sie sich den Hörer ans Herz. Wahrscheinlich hörte der Mann am anderen Ende der Leitung, wie ihr Herz raste. Schnell hob sie den Hörer wieder ans Ohr. „Ich fürchte, das muss ich ihm persönlich sagen. Vielleicht könnte ich ihn sehen?“ Sie dachte gar nicht daran, einem Fremden zu verraten, warum sie Mac sprechen wollte. Schließlich war es wirklich sehr persönlich. Aber wenn sie erst einmal wusste, wo er sich aufhielt, würde sie ihn schon finden.
„Sie können unmöglich einen Termin mit dem …“
Warum nicht? Litt Mac etwa an einer ansteckenden Krankheit? Oder wollte er plötzlich nichts mehr mit den Menschen zu tun haben, die er
Weitere Kostenlose Bücher