1001 Kuss - und dann Schluss
Geräuschlos bewegten sich die Jalousien nach oben und gaben den Blick auf die Skyline frei, die Lucy inzwischen schon kannte. Offensichtlich lag das Schlafzimmer im Penthouse des Bürogebäudes. Wahrscheinlich würde Razi sie gleich der Obhut seines Personals überlassen und sich wieder seinen Aufgaben als Herrscher widmen. Wahrscheinlich hatte er sich nur Zeit für sie genommen, weil sie einmal für ihn gearbeitet hatte und ohnmächtig geworden war. Schließlich konnte er sie nicht einfach zu seinen Füßen liegen lassen. Doch jetzt schien er es eilig zu haben.
„Ich muss wirklich mit dir reden, bevor du wieder gehst, Razi“, beharrte sie.
„Ich wüsste nicht, was wir beide miteinander zu bereden hätten.“
Diese heftige Abfuhr verdeutlichte Lucy, wie töricht sie gewesen war. Sie hatte gehofft, er würde sich nach einem höflichen Gespräch in seinem Büro zivilisiert verhalten, wie es die Situation gebot. Einem herrschenden Scheich zu vermitteln, was sie dachte und sich wünschte, war ein hoffnungsloses Unterfangen. Unter den gegebenen Umständen erschien es ihr lächerlich, ihn an seinen Urlaubsflirt zu erinnern. Wie sollte sie Mac von dem wundervollen Ergebnis des Flirts erzählen, wenn Mac nicht mehr existierte?
„Wäre das dann alles?“, fragte er barsch.
Als er sich zum Gehen wandte, geriet Lucy in Panik. „Ich weiß nicht einmal, wie ich dich anreden soll.“
„Razi oder Mac. Such es dir aus!“
Es war ihm völlig gleichgültig, weil sie ja ohnehin wieder aus seinem Leben verschwinden würde! Der sexy Feriengast war wenigstens menschlich gewesen. Aber dieser Mann hier war ein Krieger. Bisher hatte Lucy eine sehr romantische Vorstellung von der Wüste und einem Wüstenkönig gehabt. Doch die Realität sah ganz anders aus. Die Wüste erschien ihr plötzlich bedrohlich, der Wüstenkönig war ihr fremd. „Eure Majestät“, rief sie ihm nach.
An der Tür wirbelte er herum. „Sag einfach Razi!“
Mit diesem Befehl war Mac endgültig aus der Rolle des Playboys geschlüpft und zu Razi dem König geworden. Dieser unnahbare Mann war ihr so fremd, als wäre sie ihm nie zuvor begegnet. Und doch gab es ein Band zwischen ihnen. Es bestand nicht nur aus der Erinnerung an ihre perfekten Liebesnächte, sondern war viel stärker. Lucy konnte nicht glauben, dass er das nicht auch spürte.
„Was willst du, Lucy?“
Es brachte sie fast um, in die dunklen, forschenden Augen zu sehen und Razi nicht ihre tiefe Liebe zu zeigen oder einfach mit der Wahrheit herauszuplatzen, in der Hoffnung, er würde nachgiebiger werden und irgendwie versuchen, die zwischen ihnen liegenden Hindernisse zu überwinden.
„Willst du einen Job?“
Diese unerwartete Frage hätte sie fast zum Lachen gebracht. Sie wollte weder als Köchin noch als Geliebte bei ihm anheuern. Wozu? Er hätte ja kaum Zeit für sie. Es war ein großer Fehler gewesen, zur Isla de Sinnebar zu kommen und sich einzubilden, man könnte vernünftig mit ihm reden. Der größte Fehler war jedoch, dass sie ihr Baby gefährdet hatte. Razi würde sie niemals gehen lassen, wenn er wüsste, dass sie sein Kind – das Kind eines Königs – unter dem Herzen trug. Sie musste so schnell wie möglich wieder nach Hause fliegen. Von England aus konnte sie Razi dann immer noch durch einen Anwalt mitteilen lassen, dass er Vater wurde.
„Habe ich dir zu wenig Geld dagelassen?“
Lucy stockte fast der Atem. An Geld hatte sie bisher noch gar nicht gedacht.
„Wie viel willst du?“, fragte er und kam näher.
Konnte ein Mann sich in so kurzer Zeit so verändern?
Wahrscheinlich zweifelte man als König automatisch die Motive anderer Menschen an. Doch Razi brauchte sich keine Sorgen zu machen. Sie hatte sein Geld fest angelegt für die Zukunft ihrer Tochter. Keinen Penny hatte sie davon angerührt. „Ich bin nicht wegen des Geldes hier. Da du es aber gerade ansprichst …“
„Ja?“ Er lächelte zynisch, als wollte er sagen: ‚Ich hab’s doch gewusst!‘
„Du hast mir so viel Geld in Val d’Isère dagelassen“, sagte sie nervös.
„Hast du noch nie ein Trinkgeld bekommen?“
Trinkgeld? Für guten Service? Lucy war entsetzt. So betrachtete er ihre gemeinsame Nacht? „Ein Trinkgeld. Ja klar.“ Auch sie tat jetzt so, als wäre es das Normalste von der Welt, einen so hohen Geldbetrag zu verschenken. „Wieso solltest du mir sonst so viel Geld dagelassen haben?“
„Welchen Aspekt von Geld und Entlohnung würdest du denn gern zuerst besprechen?“, erkundigte
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