1001 Kuss - und dann Schluss
sich plötzlich ganz elend. Warum konnten sie sich nicht einfach in seinem Büro unterhalten? Das hatte er doch selbst vorgeschlagen. Offensichtlich weil niemand sie zusammen sehen sollte.
Er hätte aber jemanden beauftragen können, sie zum Flughafen zu bringen.
Hatte er aber nicht.
Vermutlich, weil er sich verpflichtet fühlte, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er löste seine Probleme immer selbst.
Die Schnellstraße führte direkt durch die Wüste. Unter anderen Umständen hätte Lucy eine Erkundungsfahrt durch unbekanntes Terrain Spaß gemacht. Doch jetzt sah sie überall Gefahren, weil sie die Fahrt mit einem Mann unternahm, der wünschte, sie wäre nie in seinem Leben aufgetaucht.
Razis entschlossene Miene trug auch nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. Sein Fahrstil ähnelte seinem Liebesspiel: zielstrebig, geschickt und erfahren. „Ich dachte, du machst einen Scherz, als du sagtest, wir fahren in die Wüste“, bemerkte Lucy nervös, als er von der Schnellstraße abbog.
„Ich scherze nie“, behauptete er mürrisch.
Jedenfalls nicht mehr. In flirrender Hitze erstreckte sich um sie her endlos weite Wüste.
Der Jeep war kaum zum Stehen gekommen, da stieg Lucy auch schon hastig aus und sah sich furchtsam um. Wüste und hohe Dünen so weit das Auge reichte. „Das ist aber nicht alles“, sagte Razi und stellte sich zu ihr.
Als er ihre Anspannung spürte, hätte er Lucy am liebsten aufmunternd in den Arm genommen. Er hatte ganz vergessen, wie einmalig natürlich und unaffektiert sie war. Nun versuchte er, die Umgebung mit ihren Augen zu sehen. Dabei wurde ihm bewusst, dass die ihm vertraute Landschaft auf Lucy fremd und bedrohlich wirken musste. Als sie im Sand stolperte, fing er sie rasch auf. „Du zitterst ja“, sagte er und zog sie enger an sich. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“ Beruhigend schaute er ihr in die furchtsamen Augen. „Ich komme oft hierher. Es ist ein ganz sicherer Ort. Ich dachte, hier redet es sich leichter als in einem nüchternen Bürogebäude.“
„Auf alle Fälle ist es hier diskreter“, erwiderte sie – sehr zutreffend.
Er hatte auch vergessen, wie scharfsinnig sie war. „Gleich nach unserem Gespräch bringe ich dich zurück“, versprach er.
Offensichtlich wusste sie, dass ihr Schicksal in seiner Hand lag. „Einverstanden.“ Herausfordernd schaute sie ihn an.
Sie hatte sich verändert. Als er sie in Val d’Isère kennengelernt hatte, war sie nicht so selbstsicher gewesen.
Razi überraschte Lucy immer wieder. Zuerst in seinem Büro, wo er in Freizeitkleidung auf sie gewartet und mit der Ankündigung verblüfft hatte, sie würden gleich losfahren. Und nun mit dieser Fahrt ins wilde Landesinnere. Zunächst sah sie weit und breit nur Sand. Doch als Razi sie die flache Seite einer Düne hinaufführte und sie das Panorama auf der anderen Seite erblickte, wurde ihr bewusst, dass ihre Träume von einem Wüstenkönigreich nur ein blasser Abklatsch der Wirklichkeit gewesen waren.
„Du sagst ja gar nichts.“ Fragend schaute Razi sie an.
Lucy hatte es die Sprache verschlagen. „Es ist wunderschön“, murmelte sie schließlich. Was für eine Untertreibung! Die Dünenkuppe war flach, sodass sie sicher darauf stehen und in Ruhe den herrlichen Blick auf die umliegende Landschaft genießen konnten. Lucy war sich Razis Nähe nur zu bewusst. In einträchtigem Schweigen bewunderten sie den metallisch blauen Himmel mit zitronengelben und babyrosa Streifen. Am Horizont flackerte es orange, und die Farben der untergehenden Sonne spiegelten sich in einer glitzernden Lagune, deren Wasser so klar war, dass jeder kleine Kieselstein auf dem sandigen Grund zu sehen war. Saftig-grüne Palmenwedel mit reifen Früchten rundeten das Bild ab. Doch es war der Pavillon am Ufer der Lagune mit elfenbeinfarbenen Seidenverkleidungen, die sich gegen den indigofarbenen Abendhimmel abzeichneten, der Lucys Aufmerksamkeit auf sich zog. „Ist das traditioneller Stil?“, erkundigte sie sich.
„Es gehört mir“, sagte Razi.
„Wie romantisch.“ Sie bedauerte ihre Worte sofort.
Razi blickte nur starr auf sein Wüstenkönigreich. Dann machte er sich an den Abstieg, gefolgt von Lucy. Er ging direkt zum Pavillon und schob den Vorhang zurück, damit sie eintreten konnte. Als sie dicht an ihm vorbeiging, stieg ihr sofort wieder sein exotischer Duft in die Nase.
Als sie sich staunend zu ihm umsah, erklärte er: „Was du hier siehst, wurde alles in unserem Land
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