1001 Kuss - und dann Schluss
er sich höhnisch und machte eine einladende Geste.
Es brach ihr fast das Herz, ihn so zu erleben. Auf die Idee, sie könnte hergekommen sein, weil sie ihn über alles liebte und keine Gegenleistung erwartete, kam er natürlich nicht. Doch hier ging es weder um Lucy Tennant noch um Razi al Maktabi, sondern um ein kleines wehrloses Kind. Sie war hergekommen, um dem Mann, den es nicht mehr gab, mitzuteilen, dass sie ein Baby erwarteten. Dass es etwas in Razis Vergangenheit gab, dass ihn daran zweifeln ließ, sie könnte ihn bedingungslos lieben, war unerheblich.
Der Mann, den sie gekannt hatte, war verschwunden. Der Herrscher über die Isla de Sinnebar hatte seinen Platz eingenommen – ein Scheich, der vermutlich wusste, wie man ein Volk regiert, aber von Liebe keine Ahnung hatte. Verzweifelt versuchte Lucy, Zeit zu gewinnen. Sie war zwar willensstark und wusste, was sie wollte, aber sie war auch sehr müde und erschöpft. Die Schwangerschaft kostete sie viel Energie, und die Aufgabe, die ihr hier noch bevorstand, forderte ebenfalls ihren Tribut. „Ich würde mich gern etwas frisch machen, bevor wir weiterreden. Ich brauche nur …“
„Fünf Minuten?“
„Kannst du die erübrigen?“
„Sicher. Ich gebe dir fünf Minuten in meinem Büro. Läute die Glocke, wenn du bereit bist. Du wirst dann abgeholt. Lass mich nicht zu lange warten, Lucy!“
Erneut wirbelte er herum und verließ das Zimmer.
Er war ein König mit unermesslicher Macht. Ein König, der geschworen hatte, seinem Land und seinem Volk zu dienen. Doch er war auch ein Mann. Und er hatte gedacht, er könnte seine Bedürfnisse unterdrücken. Doch dann war Lucy aufgetaucht.
Sie war eine wunderschöne Erinnerung, und das musste sie auch bleiben. Er musste sich auf seine Rolle als König konzentrieren. Viele Veränderungen waren zum Wohl der Bevölkerung nötig.
Razi hatte sich vorgenommen, das Land zu modernisieren, es ins einundzwanzigste Jahrhundert zu führen. Nichts und niemand würde ihm dabei in die Quere kommen, auch nicht Lucy Tennant. Wenn sie mehr Geld haben wollte, sollte sie es bekommen, aber hier auf der Isla de Sinnebar konnte sie nicht bleiben. Zuallererst musste er sie ungesehen aus dem Gebäude schaffen. Ihre bloße Anwesenheit könnte in diesem von Traditionen geprägten Land für Unruhe sorgen.
Doch was sollte er tun? Sie war ohnmächtig vor ihm zusammengesunken, und er machte sich Sorgen um sie. Er hatte sie viel robuster und immer strahlend in Erinnerung. Jetzt wirkte sie zerbrechlich. Vielleicht hatte sie einfach zu wenig getrunken und gegessen. Möglicherweise litt sie unter Jetlag oder der Klimaumstellung. Vielleicht hatte es sie auch überfordert, ihn aufzusuchen. Das Mindeste, was er für sie tun konnte war, dafür zu sorgen, dass sie etwas zu essen bekam.
Sein plötzliches Auftauchen in der Küche sorgte für Aufsehen. Er bestellte ein Picknick, das er sofort mitnahm. Sein Misstrauen gegenüber Lucys Beweggründen, ihn zu sprechen, änderte nichts an der sprichwörtlichen Gastfreundschaft auf der Isla de Sinnebar. Also beschloss er, Lucy zu bewirten, bevor er sie wieder fortschickte.
6. KAPITEL
Ängstlich saß Lucy neben Razi in einem nicht gekennzeichneten Armeejeep. Razi hatte den Fahrer, der hinter dem Firmengebäude auf sie gewartet hatte, weggeschickt und selbst das Steuer übernommen. Ihr Gepäck lag bereits auf dem Rücksitz. Razi trug jetzt Jeans, halbhohe Stiefel und ein schlichtes, ärmelloses schwarzes Shirt, das seine Muskeln gut zur Geltung brachte. Die smaragdgrünen Augen, denen nichts entging, hatte er hinter einer Pilotenbrille verborgen. Er machte den Eindruck eines Geheimagenten, der eine Verdächtige begleitete.
„Fahren wir zum Flughafen?“, fragte Lucy beklommen.
„Bald.“
Und wohin führte die Fahrt zunächst? Unruhig beobachtete Lucy, wie Razi den Jeep in Bewegung setzte. Ihr schöner Plan war fehlgeschlagen. Wenn sie Razi jetzt die frohe Nachricht mitteilte, könnte sie sich gleich dem Löwen zum Fraß vor die Füße werfen. Nein, sie musste so schnell wie möglich nach England zurückkehren und einen Anwalt konsultieren. „Geht heute noch eine Maschine nach Großbritannien?“
„Nicht, dass ich wüsste.“
Sie verrenkte den Hals, um ein Schild zu lesen, als Razi den Zubringer zur Schnellstraße nahm. „Wohin, sagtest du, fahren wir?“
„Ich habe gar nichts gesagt.“ Wie du sehr genau weißt, schien sein schneller Seitenblick zu sagen. „Wir fahren in die Wüste.“
Lucy fühlte
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